Der große Bruder trägt Anzug

Hamburger Wahlkampf: Die Pogo-Partei und Die PARTEI versuchen, den etablierten Parteien wertvolle Stimmen zu stehlen. Die Aussichten sind eher mäßig, doch das ist ihnen egal. Schließlich geht es um die Performance

Ihren historischen Sieg errang die Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands, kurz APPD, bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen im Jahr 1997: Damals erhielt die Punk-Partei im Bezirk St. Pauli sagenhafte 5,3 Prozent, die Parolen waren unter anderem: „Arbeit ist Scheiße“ und „Asoziale an die Macht“. Inzwischen hat sich die APPD gespalten und heißt in Hamburg nur noch „Pogo-Partei“.

Der damalige Spitzenkandidat, der Comiczeichner Karl Nagel, ist aber immer noch dabei, und auch die Geisteshaltung ist die gleiche: „Für die ultimative und totale Rückverdummung der Menschheit!“, verkündet die Partei auf ihrer Internetseite, die unter dem Titel “Asoziale Rundschau“ firmiert.

Die Seite ist ein Sammelsurium aus Trash-Pornos, Veranstaltungshinweisen („Pöbelzentrale“) und anarchistischen Nachrichten. Zentral platziert ist die derzeitige Hamburger Wahlkampfkampagne „Harburg raus“. Der Stadtteil Harburg, so wird dort erklärt, habe nie wirklich zu Hamburg gehört und müsse nach Niedersachsen „entsorgt“ werden; im Gegenzug solle das elbabwärts gelegene Cuxhaven ein Stadtteil der Hansestadt werden.

Der derzeitige Spitzenkandidat der Pogo-Partei heißt Vincent Burmeister und sagt: „Schreiben Sie bitte was mit Geschlechtsverkehr, was ist egal“. Burmeister hat eine Band namens – „wie schreiben wir uns?“, ruft er nach hinten, „Käptn & Captain“, buchstabiert er dann. Punk sei das nicht, sondern: „Wir machen Fotzen-Rap.“

Die Pogo-Partei ist der kleine, schmuddelige Bruder der anderen so genannten Spaßpartei, die in Hamburg antritt: Die „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenfärderung und basisdemokratische Initiative“, kurz: Die PARTEI, ist eine Gründung aus dem Dunstkreis des Magazins Titanic und macht professionelle Satire. Ihre Funktionäre laufen in grauen Anzügen herum und werden sogar in der Frankfurter Allgemeinen zitiert.

Spitzenkandidat in Hamburg ist der Hamburger Autor und Satiriker Heinz Strunk („Fleisch ist mein Gemüse“), der seine Wahlkampfreden gerne halbbetrunken vom Blatt liest. Das offizielle Wahlplakat von Strunk zeigt, wie er sich mit Weste und Blumen-Schlips bemüht, seriös zu wirken. Seine Lesebrille hat er gerade weggelegt. Das Arbeitsmäßige erinnert an die Ole-von-Beust-Plakate, doch gleichzeitig ist auf dem Foto die Naumann-Tasse zu sehen, jener Kaffeebecher mit Hamburg-Wappen, mit dem der SPD-Bewerber am Anfang seiner Kampagne dem Wahlvolk zuprostete. Das Beste aber ist der Slogan: „Hamburg – Stadt im Norden“. DANIEL WIESE