Ungebührlicher Versuch

Zoff bei Schwarz-Grün um neues Studiengebührenmodell. Behördenentwurf widerspricht dem vereinbarten Prinzip der nachgelagerten Gebühren. HfbK-Studierenden droht erneut Rauswurf

VON KAIJA KUTTER

Beim Thema Studiengebühren hat es einen ernsten Konflikt zwischen CDU und GAL gegeben. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, sah ein Gesetzentwurf aus dem Haus von CDU-Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach überraschend doch Studiengebühren von Anfang an vor, für die Studienabsolventen auch Zinsen zahlen sollten. Doch das widerspricht dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag.

Dort heißt es: „Studiengebühren werden ersetzt durch nachgelagerte Gebühren, die nach Ende des Studiums gezahlt werden müssen.“ Die Rückzahlungspflicht ergebe sich erst bei Erreichen eines jährlichen Einkommens „von 30.000 Euro brutto“. Und weiter: „Die anfallenden Zinsen werden durch die öffentliche Hand übernommen.“

Im Entwurf der Wissenschaftsbehörde, welcher der taz vorliegt, heißt es nun, Studierende könnten die künftige Gebühr von 375 Euro auch weiterhin sofort zahlen. Zudem gebe es ein „neues Darlehensangebot“, das die Studierenden für die Dauer des Studiums sowie einer Karenzphase von einem Jahr „zinslos stellt“.

Im Klartext: Nach einem Jahr Schonfrist werden Studierende doch mit Zinsen belastet. Und Langzeitstudierende, die die Regelstudienzeit um vier Semester überschritten haben, müssen sofort zahlen, weil sie kein Darlehen bekommen. Das gilt auch alle, die das 35. Lebensjahr überschritten haben. Zudem würde mit der Sofort-Zahl-Option auch jenen Studierenden Geld abgenommen, die später gar nicht gut verdienen.

Dass der Senat hier gerne knausern möchte, hat handfeste finanzielle Gründe. Je mehr Studierende gleich zahlen, desto weniger müsste für Kredite in den Haushalt eingestellt werden.

Nach Auskunft von Wissenschaftsbehördensprecher Timo Friedrichs handelt es sich bei dem Senatsentwurf vom 20. Mai „um ein lebendes Dokument, das sich alle zwei, drei Tage ändert“. Ziel sei es nun, in zwei Wochen einen abgestimmten Gesetzentwurf in den Senat zu bringen. Da das neue Modell schon ab dem nächsten Semester greifen soll, sei „der Zeitplan sehr eng“. Ein Diskussionspunkt sei eben die Frage, ob das für die Gebühr gewährte Darlehen „während der ganzen Laufzeit oder nur während der Regelstudienzeit zinsfrei ist“.

Offen ist laut Friedrichs auch, ob bei der Rückzahlungsgrenze von 30.000 Euro das Netto- oder Bruttoeinkommen gewertet werde und in welcher Form man den Familienstand berücksichtigt.

Auch die im Entwurf geplante Regelung für von Exmatrikulation bedrohte Studenten enttäuscht. Künftig sollen die Unis entscheiden, ob sie säumige Studenten hinauswerfen. Das gilt aber erst ab dem laufenden Semester. Eine rückwirkende Amnestie für Boykotteure aus 2007 ist laut Friedrichs nicht geplant: „Wir dürfen nicht die bestrafen, die die Gebühr bezahlt haben.“

Diese Haltung der Behörde scheint ganz konkrete Wirkung auf die Hochschule für Bildende Künste (HfbK) zu haben. „Unser Präsident Martin Köttering hat uns am Donnerstag mitgeteilt, dass er in zwei Wochen 80 Leute exmatrikulieren muss“, berichtet ein Sprecher des dortigen AStA. Laut Koalitionsvertrag sollte dies nicht sein. Die Kunststudenten haben jetzt einen Brief an die GAL geschrieben, in dem sie um Aufklärung bitten.

Unterdessen hat der auf Hochschulrecht spezialisierte Rechtsanwalt Joachim Schaller eine erste Bewertung des Behördenentwurfs vorgenommen, in der er weitere Verschlechterungen benennt. So müssen Eltern mit Kindern und Behinderte, die bisher als Härtefall nicht zahlen mussten, auch weil ihr Studium länger dauert, künftig die Campus-Maut entrichten. Ihnen wurde nur ein kleiner Trost geboten: Sie sollten zwei Semester länger zinsfrei ein Darlehen erhalten.

Die Linke-Fraktionsführerin Dora Heyenn sieht in dem Entwurf einen klaren Bruch des Koalitionsvertrages: „Erst ist groß von nachgelagerten Gebühren die Rede, und jetzt plötzlich wird gesagt, dass man jedes Semester zahlen muss.“ Besonders Mütter, die ihr Studium für die Kinder unterbrochen haben, gerieten durch den Wegfall der Härtefallregelung in eine „schwierige Situation“.