Der Kampf geht weiter

Auch sechs Monate nach der jüngsten Bürgerschaftswahl stehen noch die Wahlplakate einer einzigen Partei an Altonas Straßen. Warum darf die ÖDP das? Und warum tut sie es?

VON RABEA WACHSMANN

Ein „Chat mit Verena Häggberg“ für die kommende Woche ist auf dem Plakat noch vom Februar angekündigt. Nicht mehr ganz so frisch sieht sieht die einstige Spitzenkandidatin der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) darauf aus: vergilbt, wettergebeutelt, eingerissen hat das Papier auch unter dem Feinstaub gelitten. Ein schwarzer Film überzieht das Bild der blonden Pastorin.

Verena Hägberg lächelt darauf, gestützt auf ihre rechte Hand, irgendwo zwischen satt grünen Wiesen, unter ihr nur Schafe. Im Wahlkampf hatte sich die ÖDP einer eher inhaltslosen Linie verschrieben. „Unserer Themen sind so komplex, dass wir beim Plakat und auch beim Wahlwerbespot bewusst keinen inhaltlichen Bezug gewählt haben“, erklärt Häggberg. „Es war eine bewusste Entscheidung die Wahlplakate hängen zu lassen – damit wir natürlich bekannter werden.“ Das habe funktioniert, sagt Häggberg: Sie „werde ständig drauf angesprochen“. Die Partei wolle „insgesamt bekannter und spritziger werden“, sagt sie über die künftigen Pläne ihrer Öko-Demokraten.

Das scheint auch nötig: Bislang hat die ÖDP in Hamburg ganze 35 Mitglieder, zu denen nun auch einige übergelaufene Grüne gehören dürften. Bei der Bürgerschaftswahl im Februar kam sie auf immerhin 0,13 Prozent – das sind 980 Stimmen. „Wir waren ganz nah dran“, sagt Häggberg und wirkt beinahe wütend: „Die kommunale Ebene ist sowas von undemokratisch.“ Kein Kreisverband, keine kommunalen Mandate: An der Elbe ist die Kleinpartei weit weniger erfolgreich als im Süden Deutschlands.

Dass die Partei mit ihren Wahlplakaten überhaupt noch werben darf, ist nach Aussage des Bezirksamts Altona „völlig legitim“ und würde von den kleinen Parteien öfter so gehandhabt. Der Kniff besteht darin, dass Wahl- kurzerhand zu Veranstaltungsplakaten werden. „Die Parteien haben das Privileg, das so zu machen“, sagt Rainer Doleschall vom Bezirksamt. „Es dürfen aber nur Stehplakate sein, und es müssen immer wieder neue Veranstaltungen darauf angekündigt werden.“

Kaum überraschend, sieht die ÖDP-Landesvorsitzende Nadine Schomburg in der Aktion kein Vergehen: „Erstens ist nicht definiert, was genau ein Wahlplakat ist, zweitens ist es ökologisch und für uns ökonomisch sinnvoller die Plakate hängen zu lassen.“ Als kleine Partei könnten sie es sich gar nicht leisten, ständig neue Plakate drucken und diese auf- und abhängen zu lassen. Dafür sorgten nämlich ausschließliche Ehrenamtliche.

Verena Häggbergs erklärtes Ziel für 2012 ist ein Mandat. Von der schwarz-grünen Koalition im Hamburger Rathaus ist sie wenig begeistert: „Die momentane Senatspolitik sind einfach nur Kompromisse ohne Ende.“ Dass das Kohlekraftwerk in Moorburg komme, sei nur eine Frage der Zeit. Dass bereits einige Grüne zur ÖDP übergelaufen seien, ist für Häggberg „nur logisch: Schließlich sind wir die wahren Ökos.“ Es sei an der Zeit, jetzt und sofort wirklich nachhaltig „einen auf Ökologisch zu machen“, sonst gehe „das alles hier den Bach runter“, so Häggberg: „Wir sind energiesüchtig und müssen unseren Lebensstil sofort ändern.“ Viele würden heutzutage nur Öko wählen, weil es eben schick sei, und dann aber dreimal im Jahr nach Malle fliegen würden. Sie dagegen sei „durch und durch Öko“. Ihre Wählerschaft sieht sie da schon etwas differenzierter: „Unsere Wählergruppe würde ich als theoretische Postmaterialisten bezeichnen.“

Der Rechtslage gemäß könnte uns Verena Häggberg auf den ÖDP-Plakaten bis zur nächsten Wahl und sogar darüber hinaus erhalten bleiben – wäre da nicht der Feinstaub. „Langsam sehen die Plakate wirklich nicht mehr schön aus“, sagt Häggberg, „wir werden sie bald abbauen.“. Und im Herbst, verspricht sie, „gibt’s dann neue“.