Einen konsumfreien Raum schaffen

Bewohner des Schanzenviertels gründen Genossenschaft für neues „Centro Sociale“. Ehemaliger Pferdestall nahe der U-Bahn Feldstraße soll Treffpunkt für soziale Aktivitäten aller Art sein. Außer einer Putzkraft arbeiten alle ehrenamtlich

„Es sollen sich auch Menschen treffen, die sich sonst in verschiedenen Szenen bewegen“

Nicht nur am Wochenende ist im Schanzenviertel die Hölle los, schon donnerstags abends hat ein Fußgänger es mitunter schwer, zum Bahnhof zu kommen, weil ganze S-Bahn-Waggonladungen junger Leute in die Gegenrichtung strömen, um in die umliegenden Cafés und Kneipen zu gelangen. Das Viertel ist „in“, die Mieten steigen, und auf den Bürgersteigen kommt mancher kaum voran, „weil alles mit Tischen vollgestellt ist“, wie Tina Fritsche berichtet.

Die Journalistin ist Mitbegründerin einer Initiative, die mit einem „Centro Sociale“ einen Kontrapunkt zur Umstrukturierung des Viertel setzen will. Ein ehemaliger Pferdestall an der Ecke Neuer Kamp / U-Bahn-Feldstraße soll offener Treffpunkt für die Anwohner sein. Gestern haben 55 Genossen offiziell die „Sozialgenossenschaft St. Pauli und rundherum e. G.“ gegründet, die als Träger dient.

Schon seit Mai gibt es regelmäßige Aktivitäten in dem 500 Quadratmeter großen roten Backsteinbau, den eine Handwerksgenossenschaft von der Stadt gemietet und für 3.000 Euro an die Anwohner untervermietet hat. Dort gibt es eine Fahrradselbsthilfe, kreatives Arbeiten für Kinder, eine Volxküche, in der es günstiges Essen gibt, eine kleine Veranstaltungsreihe zu sozialen Utopien und eine Hartz IV-Selbsthilfegruppe. Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben, gebe es im Viertel „mehr als man denkt“, berichtet Fritsche. Mancher spare schon seit Wochen die 100 Euro zusammen, die als Einlage für die Mitgliedschaft in der Genossenschaft gefordert sind. Das Genossenschaftsgeld dient als Sicherheit. Die Miete soll in Form von „Nutzungsgeld“ bei kulturellen Veranstaltungen erwirtschaftet werden. Städtische Mittel für feste Stellen werden nicht beantragt. Bis auf eine Putzkraft arbeiten alle ehrenamtlich mit. „Wir wollen einen Raum öffnen, der nicht direkt mit Konsum verbunden ist“, sagt Fritsche. Es solle kein vordefiniertes Programm geben, sondern Platz für Neues bleiben, „das die Leute entwickeln“. Es sollten sich Menschen treffen, die sich sonst in verschiedenen Szenen bewegten. Fritsche: „Ich habe den Eindruck, dass das schon gut funktioniert.“

Zu den monatlichen Treffen der künftigen Genossenschaft seien bisher rund 200 Leute gekommen, darunter auch frühere Bewohner, die heute in einem anderen Stadtteil wohnen, weil sie nur dort eine bezahlbare Wohnung fanden. „Wir richten uns an Bewohner aus dem Karolinen- und Schanzenviertel, aus St. Pauli-Nord, Eimsbüttel-Süd und rundherum“, berichtet Fritsche. Es gebe auch Menschen aus Barmbek oder Blankenese, „die kommen, weil sie das spannend finden“. KAIJA KUTTER

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