Die Paläste der Nazis

Wo residierte Hitler in Hamburg? Und was passierte in dem Gebäude, in dem sich heute die Musikhochschule befindet? Aufschluss darüber gibt eine Bootstour auf den Spuren der Naziherrschaft

Für die Nazi-Zeit typisch: Die Sophienterrassen

VON PETRA SCHELLEN

Die Alster – das ist das reine Idyll. Mondäne Gründerzeitvillen säumen ihre Ufer, riesige, hanseatisch-weiße Nobelhotels außerdem. Konsequent also, per Boot durch die Kanäle zu schippern und sich der Fassadenspiegelungen zu freuen.

Vor 75 Jahren war das anders: Da trieben zerfetzte Schaufensterpuppen in der Alster – Resultat der Plünderung jüdischer Geschäfte, in denen die Hamburger nicht mehr kaufen sollten. Denn man kann die Alsterbootsfahrt auch anders machen und den Spuren von Tätern und Opfern des Dritten Reichs folgen.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung und die KZ-Gedenkstätte Neuengamme haben es getan. Auch ihre Fahrt beginnt am Alsteranleger: beim Alsterpavillon, den die Hamburger während des Dritten Reichs „Judenaquarium“ nannten. Ein schlichtes Wort nur – und doch Symptom systematischer Ausgrenzung: Seit 1933 bereits wurde das dahinter liegende Alsterhaus, das damals noch – nach seinem jüdischen Besitzer – „Warenhaus Hermann Tietz“ hieß, boykottiert. Auf 50 Prozent war der Umsatz 1933 gesunken. 1935 „arisierten“ die Nazis das Unternehmen und nannten es „Hertie“. Tietz‘ flohen in die USA.

Hitler indes residierte bei seinen vielen Hamburg-Visiten im Hotel Atlantik, wenige Bootsminuten entfernt. Und wenn ein Reiseveranstalter auf seiner Homepage vermerkt, dass sich Geschäftsführer Oscar Geyer damals „so gut es ging aus der Politik herausgehalten“ habe, liegen die Fakten doch anders: Mit großem Gefolge hatte sich Hitler etwa im Februar 1939 dort einquartiert, um den Stapellauf der „Bismarck“ zu bewundern.

Dass Täter- und Opferschicksale zumindest geographisch nicht weit auseinander lagen, zeigt der Abstecher in die Alsterkanäle der Jarrestadt: Dort lagen die Zwangsarbeiter-Baracken der Werkzeugmaschinenfabrik Heidenreich & Harbeck. „Die Zwangsarbeiter gingen zu Fuß zur Arbeit. Alle Anwohner sahen das“, sagt Historiker Diercks. In den Zwangsarbeiter-Entschädigungsfonds hat die Makino-Gruppe, der das Unternehmen seit 1987 mehrheitlich gehört, noch nicht eingezahlt.

Spotlights einer Ära nur kann eine solche Bootstour bieten, kann im Vorübergleiten erwähnen, dass die Mitglieder der damals verbotenen Swing-Jugend sowohl aus dem wohlhabenden Uhlenhorst als auch aus dem ärmeren Barmbek stammten. Verfolgt wurden sie alle – allein für ihren Musikgeschmack.

Denn feiern – dass sollten die Menschen laut Nazi-Doktrin zu kriegskompatibler Marschmusik. In Harvestehude zum Beispiel: Im Budge-Palais, der heutigen Hochschule für Musik und Theater, wohnte seit 1937 Reichsstatthalter und Nazi-Gauleiter Karl Kaufmann, obwohl die kurz zuvor verstorbene Emma Budge es anders verfügt hatte: 1933, fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes, hatte sie dessen Testament geändert und das Haus doch nicht der Stadt Hamburg vermacht. Über die Gründe weiß man nicht viel. Aber Emmy Budge war Jüdin. Sie hatte zwar einen amerikanischen Pass, aber die Nazis machten ihr vermutlich das Leben schwer. So vermachte sie das Haus und ihre Kunstsammlung Verwandten, der Hamburger Jüdischen Gemeinde und dem amerikanischen Staat.

Geholfen hat es nichts. Die Nazis übernahmen das Haus nach Emmy Budges Tod, und Kaufmann zog ein. Fortan wurden schlichtere Feste gefeiert. Zudem ließ Kaufmann im Hof einen Bunker anlegen, der während des Zweiten Weltkriegs zum Stabsquartier wurde.

Heute dient das Haus wieder der Kunst. Architektonisch merkt man ihm das Vergangene nicht an. Wohl aber den Sophienterrassen nebenan, der letzten Station, bevor sich die Bootstour rundet: Sie sind das laut Diercks „einzige für die Nazi-Zeit typische Gebäude Hamburgs“ im neoklassizistischen Stil. Zwischen 1935 und 1937 wurde das Haus für das Generalkommando der Wehrmacht gebaut. Nach dem Krieg zog der britische Geheimdienst ein, später die Standortkommandantur der Bundeswehr. Inzwischen enthält das Gebäude hochpreisige Wohnungen. Immerhin hat man inzwischen die Hakenkreuze entfernt.