Omas Sparbuch verzockt

Nach Schätzung der Verbraucherzentrale haben 10.000 Hamburger durch die Lehman-Pleite ihr Geld verloren. Die meisten davon sind Haspa-Kunden. Nun erwägen sie eine Sammelklage

Auch Jüngere bekommen die Finanzkrise direkt zu spüren. So hat die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) zu Semesterbeginn den Zinssatz für Studienkredite von vormals 6,29 auf 7 Prozent erhöht – unter Hinweis auf die Engpässe am Kapitalmarkt. Künftig könnte der Zinssatz auf bis zu 9,2 Prozent steigen – für den Asta der Hamburger Uni ein erneuter Beleg für die Unsinnigkeit der Gebühren. Erstsemester sind nicht betroffen: Weil unter Schwarz-Grün die Gebühren erst nachträglich fällig werden, werden keine Kredite mehr vergeben.  KAJ

VON KAIJA KUTTER

Für die Haspa, die bisher als angeblich sichere Sparkasse von der Finanzkrise profitierte, ereignete sich am Donnerstag ein echter GAU in Sachen Public Relations: Die Hamburger Verbraucherzentrale gab bekannt, dass bei ihr die Telefone heiß laufen. „Normalerweise haben wir in der Finanzberatung etwa 100 Anrufer pro Woche“, berichtet Geschäftsführer Günther Hörmann. „Jetzt sind es 1.000.“ Es handele sich meist um ältere Leute, die jahrzehntelang ihr Geld in sicheren Sparbriefen angelegt hatten, bevor ihnen ein Bankberater Zertifikate der Lehman-Brothers verkaufte. Und: Die meisten Anrufer seien Haspa-Kunden.

Nur vier oder fünf der 446 deutschen Sparkassen hätten mit Lehman-Zertifikaten gehandelt, sagte der Chef des deutschen Sparkassenverbands, Heinrich Haasis, vorige Woche in der ZDF-Sendung Maybritt Illner. Mit der Haspa gehört nun ausgerechnet Deutschlands größte Sparkasse dazu.

Da es eine hohe Dunkelziffer gebe, geht die Verbraucherzentrale in Hamburg von 10.000 Lehman-Geschädigten aus. Weil die Einzelberatung bis Jahresende ausgebucht ist, lädt sie bereits zu Gruppenberatungen ein. Für den Termin am 6. November wurde sogar ein ganzer Saal gemietet.

Hörmann hält es für wahrscheinlich, das sich ähnlich wie bei der Gaspreiserhöhung Verbraucher zu einer Sammelklage zusammentun. Denn es handle sich hier um Fälle von „Falschberatung“. Riskante Anlagen seien für ältere Menschen nicht geeignet. Der Gipfel sei der Fall einer 83-jährigen Mutter, deren Sohn berichte, sie habe durch Lehman und Haspa 55.000 Euro verloren.

Auf der Homepage der Verbraucherzentrale sind die anonymisierten E-Mails von 20 Bürgern dokumentiert, die ihr Geld verloren haben. Ihm seien Ende 2006 Lehman Zertifikaten für 5.000 Euro „regelrecht aufgeschwatzt“ worden, schreibt ein Haspa-Kunde. Seine Beraterin habe als Risiko lediglich erwähnt, dass er keine Zinsen erhalten würde. Jetzt hieß es am Telefon, dass es wohl doch auf einen Totalverlust hinauslaufe. „Hallo Verbraucherzentrale, auch wir sind von der Hamburger Sparkasse betrogen worden“, schreibt ein Ehepaar. Nach mehrere Anrufen seien sie der Einladung in eine Haspa-Filiale gefolgt, wo ihnen die Lehman-Zertifikate als absolut sichere und vom Haspa-Vorstand empfohlene Anlage „aufgeschwatzt“ worden seien. Ein weiteres Paar hat dank Haspa ein Drittel seiner Altersvorsorge bei Lehman angelegt.

Doch nicht nur Haspa-Kunden sind betroffen. So kündigte die auf Kapitalanlegerschutz spezialisierte Kanzlei Peter Hahn (HRP) gestern an, sie werde die Citibank wegen Falschberatung belangen. Es geht um eine 58-jährige Hamburgerin, die über zwei Jahre von einer Citibank-Mitarbeiterin mehrmals im Monat „bearbeitet“ worden sein soll, Lehman-Zertifikate zu kaufen. Zwar sei kein Zeuge bei den Gesprächen dabei gewesen, die Anlegerin kann aber die Schadensersatzansprüche an ein anderes Familienmitglied abtreten und als Zeugin auftreten. Allerdings strebt die Kanzlei zunächst eine außergerichtliche Einigung an.

Ein Sprecher der Citibank erklärte gestern, es handle sich bei der Lehman-Pleite um eine „unschöne Geschichte“, die auch die Citibank nicht habe vorhersehen können. Es sei falsch, den Beratern die Schuld zu geben. Man werde mit den Kunden in Kontakt bleiben und sehen, wie sich das Insolvenzverfahren entwickle.

Auch die Haspa gab sich wortkarg. Eine „kleine Anzahl“ der Kunden habe in Lehman Zertifikate investiert, wie groß diese Zahl sei, „kann ich nicht sagen“, erklärte Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Die Haspa gehe davon aus, dass korrekt beraten wurde. „Sollte das einmal nicht so sein, werden wir in dem Fall schauen, welche Lösung wir finden.“ Die Berater seien darauf geschult, die Kunden auf alle Risiken hinzuweisen. Carlsburg: „Es gibt darüber ein Protokoll, dass die Kunden gegenzeichnen.“

Verbraucherschützer Hörmann überzeugt das nicht. „Wenn ein Berater einer alten Dame tief in die Augen blickt, unterschreibt sie auch so ein Protokoll, ohne es zu verstehen.“