Volkes Wille soll mehr zählen

Nach zähem Ringen einigen sich CDU, GAL und Volksinitiative auf verbindlichere Volksentscheide. Die sollen an Wahltagen stattfinden und nur mit Zustimmung der Wähler gekippt werden können

VON MARCO CARINI

Noch in den späten Abendstunden wurde gestern um Formulierungen gefeilscht – dann standen die Details fest. Die Volksinitiative „für faire und verbindliche Volksentscheide“ sowie CDU und GAL werden heute die Richtlinien für die neue Hamburger Volksgesetzgebung präsentieren – ein Kompromiss, über den monatelang gerungen wurde.

Konkret sieht die geplante Verfassungsänderung, die bereits am 19. November in der Bürgerschaft debattiert und bis Jahresende verabschiedet werden soll, neue Zustimmungsquoren für Volksentscheide vor, die gleichzeitig verbindlicher werden sollen. Über Volksentscheide soll regelmäßig parallel zu Bürgerschafts- und Bundestagswahlen abgestimmt werden.

Um angenommen zu werden, muss ein Volksentscheid die Mehrheit der an der Wahl teilnehmenden Stimmberechtigten erhalten. Bei Verfassungsänderungen ist eine Zweidrittel-Mehrheit von Nöten. Gezählt werden dabei nur die Personen, die eine Partei wählen, die auch die 5-Prozent-Klausel überspringt.

Ein Rechenbeispiel: An der Wahl nehmen 800.000 Hamburger teil, 750.000 von ihnen wählen eine Partei, die den Sprung ins Parlament schafft. Das gleichzeitig stattfindende Volksbegehren wäre danach angenommen, wenn 375.001 Hamburger dafür votieren, vorausgesetzt es bekommt mehr Ja- als Nein-Stimmen. Für eine Verfassungsänderung per Volksentscheid wären in diesem Fall 500.000 Wählerstimmen benötigt worden.

Für Initiativen, die darauf bestehen, ihren Volksentscheid nicht an einem Wahltag durchzuführen, bleibt die aktuelle Regelung bestehen, nach der mindestens 20 Prozent der Hamburger Wahlberechtigten dem Entscheid zustimmen müssen. Bei einer Verfassungsänderung muss es sogar die Mehrheit der Wahlberechtigten sein.

Die zweite Änderung ist, dass der Volksentscheid fortan verbindlich sein soll und nur im Ausnahmefall von der Bürgerschaft geändert werden kann. Dazu muss das Parlament einen Änderungsantrag öffentlich ankündigen, der frühestens drei Wochen später in die Bürgerschaft eingebracht werden darf. Finden sich aber 2,5 Prozent der Hamburger Wahlberechtigten – rund 30.000 Personen – die die Änderung ablehnen, darf das Parlament die Novelle nicht verabschieden. Sie muss dann erneut den Hamburger Wahlberechtigten zur Abstimmung vorgelegt werden.

Nicht verändert hingegen werden die Quoren zur Zulassung eines Volksentscheides. Anfang Oktober war das Volksbegehren der Initiative „Eine Schule für alle“ gescheitert, nachdem es den Initiatoren nicht gelungen war, innerhalb der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist die 62.000 Unterschriften zusammenzutragen, die für eine Zulassung zum Volksentscheid notwendig gewesen wären.

Die GAL, die wesentlich daran beteiligt war, einen Kompromiss zu gestalten, dem sowohl die Volksinitiative als auch die CDU zustimmen konnte, bewertet die nun gefundene Reform der Volksgesetzgebung als „einschneidendste Verfassungsänderung seit zehn Jahren“.