Neonazis bringen Polizei in Notlage

CDU-Innensenator Ahlhaus verteidigt das Vorgehen der Hamburger Polizei bei den Demonstrationen am 1. Mai. Dabei waren die Beamten von der Zahl und Gewaltbereitschaft der „autonomen Nationalisten“ überrascht worden

Hamburgs neuer schwarz-grüner Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) sieht keinen Handlungsbedarf: Trotz eines Tadels des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (OVG), die Polizei habe den Anmeldern einer antifaschistischen Demonstration gegen den Neonazi-Aufmarsch am 1. Mai den Auflagenbescheid viel zu spät zugestellt, hält Ahlhaus das damalige Vorgehen der Polizei für richtig. Das ließ er am späten Dienstagabend im Innenausschuss der Bürgerschaft durchblicken.

Dass den Veranstaltern der Gegendemo dadurch der Gang vor das Bundesverfassungsgericht unmöglich gemacht worden war, kümmert Ahlhaus wenig: „Am Verhalten der Polizei kann ich nichts Kritikwürdiges finden“, erwiderte er auf die Fragen der SPD-Abgeordneten Jana Schiedek. „Wir hätten es nicht schneller machen können.“

Das OVG hatte erst am Vorabend des 1. Mai, einem Mittwoch, die kurz zuvor erlassenen polizeilichen Auflagen für den antifaschistischen Protestmarsch gekippt. „Damit haben wir nicht gerechnet“, gestand Ahlhaus im Rückblick. Vor den Ausschuss-Abgeordneten räumte der polizeiliche Einsatzleiter Peter Born nun ein, dass es Verzögerungen gegeben haben könne: Die die Versammlungsbehörde habe an dem Wochenende vor dem 1. Mai nicht gearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt war die Verbots-Linie der Polizei allerdings bereits klar, so dass die Auflagen frühzeitig hätten bekannt gegeben werden können.

Born gab zu, dass der Einsatz nicht optimal gelaufen sei. Am S-Bahnhof Alte Wöhr hätten die Beamten sich einer großen Zahl militanter Neonazis gegenüber gesehen. Wegen der „polizeilichen Notlage“ sei eine Auflösung der Versammlung trotz massiver Übergriffe auf Polizisten nicht sinnvoll erschienen, so Born. Deshalb habe er angeordnet, lieber den rechten Marsch „auf dem kürzesten Weg“ durch Barmbek zum S-Bahnhof Ohlsdorf zu geleiten.

„Wir hatte es mit einer Größenordnung zu tun – 1.500 Personen, davon 340 Gewaltbereite autonome Nationalisten – die wir in dieser Stadt noch nicht gesehen haben“, ergänzte Polizeipräsident Werner Jantosch vor dem Ausschuss. „Autonome Nationalisten sind für die Polizei nicht steuerbar.“ Die Polizei sei an jenem 1. Mai „an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gekommen“, führte Jantosch aus.

Offensichtlich war die neue politische Rollenverteilung in der ersten Innenausschuss-Sitzung der neuen Legislaturperiode: Während die grünen Gremiumsmitglieder Antje Möller und Farid Müller sich weitgehend harmoniebedürftig zeigten, versuchte SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel, den schwarz-grünen Senat von rechts zu attackieren. So fragte er, warum die Polizei nicht die vom OVG vorgegebene zeitliche Trennung der beiden Aufmärsche durchgesetzt habe – notfalls durch Auflösung der von Antifas, DGB und Kirchen unterstützten Versammlung. Dabei übersah Dressel freilich, dass die Neonazis damals erst mit mehreren Stunden Verspätung an ihrem Treffpunkt eingetroffen waren.

Der Ausschussvorsitzende, Karl-Heinz Warnholz (CDU) hat offenbar noch Probleme mit der neuen Bürgerschaftszusammensetzung: Als die Innenpolitikerin der Linkspartei, Christiane Schneider, sich zu Wort meldete, kam er kurzzeitig ins Schleudern: „An Frau Linke, äähhh, an die Frau von der Linken, an Frau Schneider, muss ich mich noch gewöhnen.“ Und erteilte ihr dann doch noch das Wort. MAGDA SCHNEIDER