Das große Streiten

Versagen bei der Einführung der Primarschule wirft die SPD Schulsenatorin Christa Goetsch vor. Die SPD habe keine Alternativen, sondern schüre nur die Ängste der Elternschaft, kontern GAL und CDU

VON MARCO CARINI

Während die Handelskammer ihre Position zur anstehenden Schulreform sucht, Elternvertreter aufeinander losgehen und die Max-Brauer-Gesamtschule zu einen Protestzug gegen die Einführung der Primarschule mobilisiert, bestimmte am Mittwoch auch in der Bürgerschaft der Streit um das zukünftige Hamburger Schulsystem die Debatte.

Die SPD warf Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) Versagen bei der Umsetzung der Reform vor. So habe Goetsch nun „den Reformstart verschoben, weil sie die Probleme der Primarschule nicht in den Griff bekommt und die betroffenen Eltern und Lehrer gegen sich hat“, höhnte der SPD-Schulexperte Ties Rabe.

Goetschs Angebot an die Grundschulen, ihre Überführung in die sechsjährige Primarschule auf den Sommer 2011 zu verschieben, ist für die SPD deshalb ein „Eingeständnis des Scheiterns“. Für den CDU-Bildungsfachmann Marino Freistedt hingegen ist es eine „überzeugende, weil flexible Übergangsregelung“, die Goetschs „Gespür für Kompromisse“ beweise.

Die Schulsenatorin selbst verteidigte ihre Verschiebungsofferte als „Angebot an die Schulen, das dem hohen Übergangsdruck“ Rechnung trage und sich „an den Bedürfnissen der Schüler“ orientiere. Grundschulen, die „diesen Übergang schon 2010 bewerkstelligen können“, werde ihre Behörde „keine Steine in den Weg legen“. Dabei machte Goetsch keinen Hehl daraus, dass sie davon ausgeht, dass die meisten Grundschulen sich nun erst im Jahr 2011 als Primarschule konstituieren werden. Der offizielle Startschuss aber werde bereits im kommenden Jahr erfolgen.

Für die SPD aber blockiert, „die superlange dauernde, superteure Reform“ (Rabe) vor allem Ressourcen, die in eine kurzeitige Verbesserung der Bildungslandschaft fließen könnten. Eine bessere Sprachförderung und ein Programm für mehr Chancengleichheit werde, so Rabe, „dadurch blockiert“, dass alle bestehenden 400 Schulen – von der Grund- über die Gesamtschule bis hin zum Gymnasium – umstrukturiert werden, um ab 2010 in neuen Räumen und mit neuem Personal zu arbeiten.

Zudem würden, so die SPD-Abgeordnete Britta Ernst, „Vorbildschulen zerteilt, zerschlagen und für diese Reform“ geopfert. Der Abgeordnete der Linken, Jürgen Bischoff, warf der Schulsenatorin weiterhin vor, dass „derzeit nur über Strukturprobleme diskutiert“ werde, „inhaltliche Fragen aber auf der Strecke“ blieben. Unklar sei, ob etwa Gesamtschulen, die das längere gemeinsame Lernen schon bereits über einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren praktizieren, nun zerschlagen würden, um in das neue Konzept eingepasst zu werden.

Goetsch hingegen warf der SPD vor, „in Angststarre“ zu verharren, wenn sie „ein Moratorium oder gar die Verschiebung der gesamten Reform“ fordere. So würde die Partei „auf dem Fehlerhaften beharren, statt den Reformprozess konstruktiv zu begleiten“. Anstatt „auch nur eine einzige schulpolitische Alternative“ zu präsentieren, schüre „die SPD nur Ängste in der Elternschaft“ stimmte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Beuß der GAL-Senatorin zu.

Während sich die Parteien streiten, geht auch der Zwist in der Elternschaft weiter. Gegenüber der taz kündigte der Vize-Vorsitzende der Hamburger Elternkammer, Peter Albrecht, an, auf die Elternräte zuzugehen, die die Einführung der Primarschule ablehnen und die Kammer wegen ihrer grundsätzlich positiven Haltung zur Reform scharf angegriffen hatten. Allerdings hätten einige der betroffenen Elternräte „das Gesprächsangebot bislang abgelehnt“.

Auch Elternkammer-Chef Hans-Peter Voegeler, der am Dienstag mit nur einer einzigen Gegenstimme wiedergewählt wurde, warnte unterdessen vor „der sich abzeichnenden Polarisierung in der Hamburger Elternschaft“, die „schädlich für die Schulen“ sei. Schulfrieden sieht eben anders aus.