Grüne Stadt nicht grün genug

Herzlichen Glückwunsch! Die EU-Kommission hat Hamburg zur „European Green Capital“ 2011 gekürt. Die taz hat Umweltverbände gefragt, was sie von einer grünen Hauptstadt erwarten

„Die Stadt wird grün geschminkt“, sagt Karsten Smid von Greenpeace. Um nicht nur kosmetisch, sondern wirklich eine Umwelthauptstadt zu werden, müsste Hamburg die Einleitungen der Industrie in die Elbe verhindern. „Das ist ein Manko“, sagt er und warnt davor, dass das Gewässer im Sommer umkippen könnte. Auch den Schiffsverkehr im Hamburger Hafen kritisiert er. „Im Bereich der Transportdienstleistung gibt es noch viel zu tun“, so Smid. Doch nicht nur zu Wasser, sondern auch auf dem Land wünscht sich der Greenpeace-Sprecher ein völlig neues Verkehrskonzept. „Hamburg erstickt im Verkehr“, sagt er.

Das Versprechen der schwarz-grünen Regierung, die CO2-Werte zu senken, weckt in Karsten Smid Zweifel. „Klimaschutz und das Kohlekraftwerk Moorburg – das widerspricht sich doch diametral“, sagt er. Das Kind sei jedoch schon in den Brunnen gefallen. Um dauerhaft die Kohlendioxid-Werte zu senken, bleibe nur noch eine Stromwechselkampagne der Stadt. „Hamburg muss ein neues Energiekonzept dagegen setzen“, sagt Smid und schlägt die Beteiligung an einem Offshore-Projekt in der Nordsee vor. Hamburg habe es in der Vergangenheit versäumt, sich als grüne Stadt zu profilieren. „Da muss sie jetzt ran“, sagt Smid.

„Die Menschen müssen auf die Schiene gebracht werden“, findet Robert Spreter, Sprecher der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Bisher kenne er aus Hamburg allerdings keine vorbildlichen Konzepte im Verkehrsbereich. Leider sei die Hansestadt nur dafür bekannt, ihre Straßen auszubauen. „Es kann doch aber nicht darum gehen, so viele Autos wie möglich durch die Stadt zu karren“, sagt Spreter. Auch im Bereich der Grünflächen müsse Hamburg viel aktiver werden. So habe sich die Stadt bei der Zuschüttung des Mühlenberger Loches für ein Bauvorhaben nicht gerade mit Ruhm bekleckert, kritisiert er.

Noch eine weitere Sünde macht der DUH-Sprecher aus: Moorburg. Mit einem Kohlekraftwerk in der Stadt könne man die CO2-Werte nicht verringern. Die Ziele, wegen denen Hamburg überhaupt erst zur Umwelthauptstadt ernannt wurde, könnten also bald verpuffen. Dabei sei die Metropole in puncto Klimaschutz bisher immer vorbildlich gewesen. „Hamburg hat schon seit den 70er Jahren ein sehr gutes Energiemanagement“, sagt Spreter. Vor allem im Bereich des Energiesparens mache die Stadt anderen noch etwas vor. „Leider konterkarriert die Moorburg-Entscheidung das ein bisschen“, sagt er.

Ginge es nach Paul Schmid vom BUND, stünden alle Motorsägen in Hamburg für einen Tag still. „Jährlich verschwinden viel mehr Bäume als gepflanzt werden“, beklagt er. So hätte die Stadt im Jahr 2007 rund 3.000 Bäume verloren. Doch nicht nur die fehlenden Bäume stören Schmid. „Straßenbäume etwa hat Hamburg genug – aber Straßenbäume ersetzen keine Vielfalt“, sagt er. Deshalb müsse es das Ziel einer angehenden Umwelthauptstadt sein, die Stadt selbst wieder lebenswerter zu machen. In den bestehenden Grünanlagen, wie dem Stadtpark oder dem Volkspark, könne noch eine Menge gemacht werden. Naturerlebnisräume müssten errichtet werden, damit Kinder auch mal wieder einen Schmetterling zu Gesicht bekommen.

Stattdessen würden in Hamburg immer mehr Bäume abgeholzt. Hatte die Stadt in den 90er Jahren noch rund 140 Hektar verbraucht, sind es seit 2000 schon über 240 Hektar jährlich. Besonders schlimm träfe es die Landschaftsschutzgebietsflächen. Schmid zufolge haben diese mittlerweile um fast 330 Hektar abgenommen. Schuld daran sei das Konzept der wachsenden Stadt der vormaligen CDU-Regierung. „Das Rad muss zurück gedreht werden“, sagt Schmid.

„Hamburg braucht ein vernünftiges Naturschutzprogramm, um den Artenschwund einzudämmen“, sagt Nabu-Sprecher Bernd Quellmalz. Die Natur dürfe nicht in die Naturschutzgebiete abgeschoben werden. Zwar habe Hamburg den Ruf einer grünen Stadt. „Damit sich heimische Tiere wohl fühlen reicht es aber nicht aus, nur grün zu sein“, sagt Quellmalz. Für das Artensterben in Hamburg macht er zwei Gründe aus:

Zum einen ginge die Ausbreitung der städtischen Siedlungen immer auf Kosten der Naturflächen, wie zum Beispiel Wiesen und Weiden. „Das ist der Lebensraum des Weißstorches“, so der Nabu-Sprecher. Vor einem Jahrhundert habe es noch bis zu 50 Brutpaare in der Hansestadt gegeben. Mittlerweile seien es nur noch 14 Weißstorchpaare. Gravierend sei zudem die so genannte Innenverdichtung Hamburgs. Überall werde gebaut. Dadurch gingen Mini-Oasen für viele Arten verloren. Weil es immer weniger wilde Büsche und Sandbadestellen in der Stadt gibt, habe in den letzten Jahren die Population des Hausspatzes um rund 50 Prozent abgenommen. Für Quellmalz ist klar: „Natur- und Artenschutz waren bei der Titelvergabe zur Umwelthauptstadt kein Kriterium“.UTA GENSICHEN