Seine Bühne, die heißt Hamburg

Michael Weins ist als Macht-Club-Moderator bekannt. Nun hat er einen Roman über Altes Land und Airbus geschrieben, in dem er zwischen Realität und Verzauberung changiert. Literatur ist aber nicht alles in seinem Leben

Schnee, der in den Fluss fällt, taugt als Sinnbild fürs Sinnlose. Sieh doch: Nichts bleibt, oder schlimmer noch, im Grunde es alles von vornherein verloren. Aber Michael Weins ist kein Melancholiker. Er schaut aus dem Fenster seiner Saga-Wohnung am Fischmarkt, schaut über die Elbe und den Hafen dahinter und sagt: „Fantastisch.“

Da nun Michael Weins als Schriftsteller zur Sorte Mensch gehört, die beim Wort zu nehmen vielversprechend ist, darf man davon ausgehen, dass er mehr sagen wollte als „toll“ oder „ach, wie schön“; dass er „fantastisch“ sagt, weil der März-Schnee ein Gestöber ist, ein unerwartet hereinbrechendes Chaos, das die vertraute Wirklichkeit, den prosaischen Hafenbetrieb, den träge fließenden Fluss, eine Weile verschleiert, verwandelt, verklärt.

In diesem Sinn schneit es auch zwischen den Seiten von Weins jetzt herausgekommenen Roman „Delfinarium“. Dort soll ein junger Mann auf eine Frau namens Susann aufpassen, die nach einem Unfall aufgehört hat zu sprechen. Mysteriös wird die Angelegenheit, als plötzlich ein Fremder auftaucht und behauptet, Susanne sei Marie, seine verschwundene Frau.

Größtenteils spielt die Geschichte im Alten Land, vor den Toren Hamburgs. Und vor dem Hintergrund des Airbus-Konflikts, der auch ein Konflikt ist zwischen Rationalität und Verzauberung, zwischen globaler Wirtschaftspolitik und der verwunschenen Ortschaft Neuenfelde, mit der St. Pankratius Pfarrkirche und ihrer sagenumwobenen Arp-Schnitger-Orgel. Weins erzählt, er habe sie und die Gegend lieben gelernt, als ein Freund von ihm ins Haus des Organisten zog und dort eine verspätete Hippie-Kommune aufbaute.

„Delfinarium“ ist Michael Weins zweiter Roman. Er hat auch zwei Bände Kurzgeschichte veröffentlicht. Bekannt in Hamburg ist Weins aber mehr noch als Literatur-Moderator. Mit ein paar Freunden betreibt er den Macht-Club und die Schischo-Scho, die auch monatlich auf Barkassenfahrt durch den Hafen geht. Deren Ursprünge reichen zurück in die frühen 90er Jahre.

„Damals“, sagt Weins, und wundert sich über das Wort, so als würde er vom Krieg erzählen, „damals kam als Szene nur Musik in Frage. Da waren die coolen Hamburger-Schule-Jungs und Mädels, die hatten ihre Läden, aber für Literatur musste man ins stocksteife Literaturhaus.“ Die Antwort darauf hieß Laola-Club, Lesungen mit Club-Charakter, mal kombiniert mit Konzerten und immer dabei: das Flaschenbier, an dem sich Weins auch heute noch festhält, wenn er auf der Bühne mit den geladenen Gästen über Literatur parliert.

Der Laola-Club, erzählt Weins, platzte schon bei den ersten Vorstellungen aus allen Nähten, wer auch immer gerade las, weil es vergleichbare Veranstaltungen nicht gegeben habe. Heute dagegen gehöre Literatur so selbstverständlich in Clubs, dass der Macht-Club nur noch voll würde, wenn auch große Namen auf dem Programm stünden.

Ein Bühnenmensch, denkt man, wenn man Weins so reden hört. Wenn er erzählt, dass er anfangs Gedichte geschrieben, dann aber zu Prosa gewechselt habe, weil die Reaktion darauf besser gewesen sei. Aber dann sagt er: „Wenn ich jetzt von Kritikern als Lese- und Publikumsautor eingeordnet werde, ist mir das egal. Zu kontrollieren, was andere über einen denken, wäre viel zu anstrengend.“

Und schließlich gibt es noch Weins Leben jenseits jeder Bühne, wo er nicht Hauptdarsteller, sondern Zuhörer ist. Als studierter Psychologie verdient er sich den Lebensunterhalt in der Jugend- und Familienbetreuung. Einen Transfer von Material aus dem Berufsbereich hinein in die Literatur gebe es allerdings nicht, das ist Weins wichtig. „Da bin äußerst vorsichtig. Schon eher findet sich mal ein Freund in verzerrter Form im Buch wieder.“

Eine Bühne allerdings gibt es, auf der sich Weins immer bewegt und die trägt den Namen Hamburg. Aufgewachsen ist Weins in Stellingen, zwischen Autobahn und Volksparkstadion. Da wollte er nach der Schulzeit schon raus – hat aber nie das Bedürfnis verspürt, weiter weg zu ziehen als bis nach Eimsbüttel. „Ich bin alle zwei, drei Jahre umgezogen, da stellte sich immer wieder das Gefühl ein, in einer neuen Stadt zu sein.“ Und dann sagt er: „Ich glaube, mit geht es darum, das Fremde im Vertrauten zu erkennen.“ Aber weil er Pathos nur in geringen Dosen duldet, so wie er dem Phantastischen im Roman nur kurze Auftritte gewährt, rudert er schnell zurück: „Oh Gott, was für Worte. Ich meinte, eine Reise nach Somalia wäre sicherlich spannend, die Lüneburger Heide finde ich aber sonderbar genug.“ MAXIMILIAN PROBST

Michael Weins liest heute um 20.30 Uhr im Pudel Salon