Keiner schuld an Laras Tod

Nachdem bekannt wurde, dass das Baby zwei wichtige Vorsorgetermine versäumte, schieben CDU und GAL dem SPD-regierten Bezirk Mitte die Verantwortung zu. Jährlich fehlen 1.300 Babys bei diesen beiden Untersuchungen

Besonders in ärmeren Stadtteilen wie Jenfeld, Wilhelmsburg und Veddel erscheinen viele Kinder nicht bei der Vorsorge, ergab nun eine SPD-Anfrage. So nimmt in 14 der 51 Hamburger Stadtteile jedes dritte Kind nicht an den Untersuchungen U 7 bis U 9 zwischen zweitem und sechstem Geburtstag teil, in 19 Quartieren fehlt jedes vierte Kind. Bei Kindern nicht-deutscher Staatsangehörigkeit ist die Quote am höchsten.  KAJ

Wer trägt politisch Verantwortung am Tod der kleinen Lara? Darum entspann sich gestern ein Schwarze-Peter-Spiel. Mittlerweile gilt als relativ gesichert, dass das am 11. März gestorbene Baby monatelang nicht beim Kinderarzt war und die Vorsorge-Termine U 4 (3. bis 4. Monat) und U 5 (6. bis 7. Monat) versäumte – obwohl eine Sozialarbeiterin des Rauhen Hauses regelmäßig die Familie besuchte. Mitte-Bezirkschef Markus Schreiber (SPD) hat daraufhin in der Bezirksamtsleiterrunde vorgeschlagen, künftig sollten Betreuer die Arztbesuche kontrollieren.

„Was Herr Schreiber vorschlägt, gibt es bereits“, erklärte Sozialbehördensprecherin Jasmin Eisenhut und verwies auf eine Leistungsvereinbarung mit dem Rauhen Haus. Dort ist unter anderen die Sicherstellung der medizinischen Vorsorge und die Begleitung von Eltern zu diesen Terminen angeführt.

Nur ist diese Vereinbarung lediglich ein Katalog, aus dem das Jugendamt Maßnahmen für den Hilfeplan auswählt. Im Fall Lara zählte dazu in den ersten vier Monaten der Schutz vor Kindeswohlgefährdung. Später wurde „der Fokus der Hilfe auf die Mutter gelegt“, wie es heißt. Zwar hätte auch dann die Betreuerin Hinweise, dass das Kind nicht beim Arzt war, dem Jugendamt melden müssen. Sie hatte aber nicht den Auftrag, das gelbe Heft, das die U-Termine dokumentiert, zu kontrollieren.

„Es stellt sich die Frage, warum dies so entschieden wurde“, sagte die GAL-Jugendpolitikerin Christiane Blömeke. Auch ihr CDU-Kollege Stefan Müller fragt nach „Defiziten“ in der Hilfeplanung. „Es hat wenig Sinn, wenn Herr Schreiber in heroischer Weise etwas einfordert, was bereits geregelt ist und es möglicherweise nur an der Umsetzung in seinem bezirklichen Jugendamt hapert.“ Das, so heißt es beim Senat, hätte sich auch unabhängig von der Betreuerin ein Bild machen müssen.

Schreibers Sprecherin Sorina Weiland erklärte, Schreiber habe Vorschläge gemacht, die jetzt auf Fachebene erörtert würden: „Wir wollen dies nicht weiter kommentieren.“

Für die SPD-Abgeordnete Carola Veit sind das Scheingefechte. „Wir hätten das Thema nicht, wenn die U-Untersuchungen verbindlich wären.“ Sie hat gerade durch eine große Anfrage erfahren, dass viele Kinder nicht bei den U‘s erscheinen. Allein an den auch von Lara versäumten U 4 und U 5 nahmen zwischen 2005 und 2008 rund 1.300 Babys nicht teil (siehe Kasten).

Schwarz-Grün plant ab diesem Jahr einen Modellversuch, in dem es ein „verbindliches Einladewesen“ mit Postkarte nach schleswig-holsteinischem Vorbild geben soll. Kommt ein Kind nicht zur U, gibt es eine Meldung ans Jugendamt.

Allerdings soll dies nur für die Termine U 6 und U 7 gelten, die um den ersten und zweiten Geburtstag herum anstehen. Forderungen, dieses Verfahren auf die U 4 und U 5 auszuweiten, lehnen CDU und GAL derzeit ab.

KAIJA KUTTER