Straßen sind für alle da

SHARED SPACE Die Umweltbehörde legt ein Konzept für die Einführung von Gemeinschaftsstraßen in allen Bezirken vor. Im Herbst 2010 könnte es losgehen

Das Ziel ist Erhöhung der Lebensqualität und Rückgewinnung des Stadtraums

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Hamburg soll die erste Großstadt Europas werden, in der Shared-Space-Projekte realisiert werden. Dieses Ziel bekräftigte Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) am Montag bei der Präsentation eines Gutachtens, das die einzelnen Umsetzungsschritte definiert. Das gleichberechtigte Miteinander aller VerkehrsteilnehmerInnen im öffentlichen Straßenraum soll durch „Gemeinschaftsstraßen“ – wie sie in Hamburg heißen sollen – erreicht werden. Das Ziel, sagt Hajduk, sei „die Erhöhung der Lebensqualität und die Rückgewinnung des Stadtraums“.

Zu diesem Zweck sollen in jedem der sieben Hamburger Bezirke eine Straße zu einer „Straße für Alle“ umgebaut werden – so wurde es auf Wunsch der GAL vor einem Jahr im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vereinbart. Ideen und Vorschläge gibt es reichlich, weit mehr als ein Dutzend Straßen wurden bislang von Bezirksämtern oder Bezirksversammlungen ins Spiel gebracht. Zu den größten und zugleich verkehrstechnisch problematischsten zählen die Osterstraße in Eimsbüttel (Bezirk Eimsbüttel), die Lange Reihe in St. Georg (Mitte), die Waitzstraße in Othmarschen (Altona) und die Region um den Bergedorfer Bahnhof.

Nun liegt ein einheitlicher Kriterienkatalog vor, an dem die Bezirke ihre bislang lockeren Ideen messen können und müssen. Bis zum Herbst möchte Hajduk konkrete Vorschläge auf dem Tisch haben, nach einem Fachkongress soll der Senat noch in diesem Jahr grundsätzlich grünes Licht geben. Dann könnte im kommenden Jahr mit den ersten Baumaßnahmen begonnen werden. Wenn sie kurz vor der Bürgerschaftwahl im Februar 2012 die erste Gemeinschaftsstraße Hamburgs für den gleichberechtigten Verkehr freigeben könnte, hätte Hajduk „nichts dagegen einzuwenden“.

In dem 190-seitigen Gutachten, das Jürgen Gerlach von der Universität Wuppertal und das Ingenieurbüro Stolz aus Neuss erarbeitet haben, werden die Voraussetzungen und Bedingungen für Gemeinschaftsstraßen – Parkplätze, Sichtbehinderungen, Busverkehr, bauliche Gestaltungen und nicht zuletzt Barrierefreiheit und Sicherheit – mit großer Liebe zum Detail durchdekliniert.

Bevorzugt sollen „Misch- und Kerngebiete mit geschäftlicher Nutzung“ zu Gemeinschaftsstraßen umgebaut werden, empfiehlt die Expertise. So könne die seit 1995 problemlos funktionierende Kommunaltrasse in der Mönckebergstraße – kein Individualverkehr, Tempo 20 für Busse und Taxis – in großen Teilen als Vorbild für eine Gemeinschaftsstraße gelten. In reinen Wohnquartieren hätten sich Spielstraßen und Tempo-30-Zonen bewährt, reine Gewerbegebiete an Durchgangsstraßen mit hohem Verkehrsaufkommen kämen nicht in Frage.

Klar ist für Hajduk dabei, dass Akzeptanz in der Bevölkerung „die grundlegende Voraussetzung“ ist. Es werde keine Umsetzung geben, die vor Ort nicht gewollt ist, verspricht Hajduk. Anwohner, Kitas, Schulen, Gewerbe und Gastronomie – schon in der bezirklichen Auswahl werde eine breite Beteiligung aller Interessengruppen gewährleistet.