Schwindende Vielfalt

STADTENTWICKLUNG Neue Senatszahlen belegen einen Rückgang der ausländischen Bevölkerung. Und eine fortschreitende soziale Spaltung in zentralen Vierteln

Den Entwicklungen ließe sich mit staatlichen Steuerungselementen durchaus entgegen treten, sagte Bischoff. Wenn man nur wolle

Keine Metropole ohne Migration, lautet ein Kernsatz der Stadtgeographie. In Ländern mit rückläufigen Geburtenraten bedarf diese Wahrheit keiner weiteren Erörterungen. Um so erstaunlicher sind nun demografische Zahlen, die der Senat auf eine große Anfrage der Linkspartei vorlegte. Demnach hat sich die Zahl der in Hamburg lebenden Ausländer in den letzten zehn Jahren um etwa 15.000 Personen verringert. Während 1999 noch 261.871 Ausländer in Hamburg lebten, waren es 2008 nur noch 245.240 – und das, obwohl im selben Zeitraum die Gesamtbevölkerung der Hansestadt um etwa 70.000 Menschen angestiegen ist.

Am deutlichsten ist dabei der Rückgang der ausländischen Bevölkerung im Stadtteil St. Pauli. Lebten zur Jahrtausendwende dort noch 9.125 Ausländer, waren es 2007 nur noch 7.501. Für das Jahr 2008 verzeichnet die Statistik 5.528 Ausländer, eine Zahl, die aber wegen der Gebietsreform vom 1. März 2008, mit der das Schanzenviertel als eigenständiger Stadtteil eingerichtet wurde, nicht repräsentativ ist.

Mit der großen Anfrage wollte die Linke den Umgang des Senats mit dem Thema der Gentrifizierung beleuchten. Die Zahlen, die der Senat jetzt veröffentlichte, verdeutlichen ihr zufolge das Scheitern der Stadtenwicklungspolitik nicht nur der letzten Jahre: „Trotzdem sich in zahlreichen Vierteln Widerstand formiert, hat der Senat die Zeichen der Zeit nicht mal ansatzweise verstanden“, sagt Joachim Bischoff, Sprecher der Linken für Stadtentwicklung.

Weitere Zahlen der Senatsantwort belegen noch einmal deutlich, wovon in den Diskussionen um die Recht-auf-Stadt-Initiativen immer schon die Rede war: dass in den letzten zehn Jahren der Bestand an Sozialwohnungen um gut 30 Prozent zurückgegangen ist; dass die Verwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen rasch voranschreitet und dass städtisches Eigentum der Stadt vorzugsweise an Privateigentümer und private Investoren verkauft wird.

Aufschlussreich sind auch die Einkommenstatistiken in den Vierteln. So hat sich in St. Georg der Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte zwischen 1995 und 2004 um etwa ein Fünftel erhöht. Dass sich die Anzahl derer, die in St. Georg Sozialleistungen beziehen, zwischen 1999 und 2008 dabei um gut drei Fünftel erhöht hat, ist laut Bischoff Ausdruck der sozialen Spaltung.

Diesen Entwicklungen ließe sich mit staatlichen Steuerungselementen durchaus entgegentreten, sagte Bischoff. Wenn man nur wolle. Etwa mit sozialen Erhaltungsverordnungen für bestimmte Viertel. Eine gibt es bereits, in der südlichen Neustadt. Für St. Pauli und St. Georg laufen Planungen. Ein schwacher Trost: In München, sagt Bischoff, gäbe es 14 davon. MAP