Tristan und die Sternschnuppe

„Der Sternwanderer“ von Matthew Vaughn ist ein Märchenfilm für Erwachsene

Es war einmal: Ein junger Held namens Tristan, der sich in ein mysteriöses und verbotenes Land aufmacht; eine Sternschnuppe, die sich in eine blonde

Jungfrau verwandelt, ein Triumvirat von hässlichen Hexen, ein tuntiger Pirat namens Shakespeare, ein Gemetzel unter Thronfolgern, eine Möchtegernprinzessin, ein Märchenland mitten in England, ein Held, der in ein Mäuslein verwandelt wurde, und, und, und…

Die Liste könnte noch lange so weitergehen, denn der englische Regisseur Mathew Vaughn, dessen grandioser Debütfilm „Layer Cake“ leider nie in die deutschen Kinos kam, hat sein Fantasy-Spektakel so mit absonderlichen Figuren und Vorkommnissen vollgestopft, dass die dramatische Wirkung dabei droht, auf der Strecke zu bleiben. Statt vom Sog der Geschichte mitgerissen zu werden, wandert man von einer phantastischen Szene zu nächsten, und erst im letzten Akt wird dann aus der Nummernrevue ein Drama, bei dem man sich wirklich dafür interessiert, was aus den einzelnen Figuren wird.

Der britische Author Neil Gaiman wurde durch die Comic-Reihe „Sandman“ berühmt. Er schrieb „Stardust“ (so auch der Originaltitel des Films) 1998 als ein Märchen für Erwachsene, dessen stilistische Methode darin besteht, möglichst viele Motive aus Sagen und Fantasyromanen miteinander zu montieren und sie dabei ironisch auf die Spitze zu treiben. Das Vorbild ist offensichtlich William Goldmans Roman aus den 80er Jahren „Die Braut des Prinzen“, der ebenfalls verfilmt wurde und damals als ein Paradebeispiel der gerade angesagten postmodernen Literatur galt. „Der Sternwanderer“ spielt in einem englischen Dorf des 19. Jahrhunderts, das an das magische Land „Faerie“ grenzt, von dem es durch eine Steinmauer getrennt ist.

Nachdem eine Sternschnuppe in dieses verbotene Zone fällt, macht sich der schöne Jüngling Tristan auf den verbotenen Weg über die Mauer, um seiner angebeteten Viktoria die Schnuppe zu Füssen zu legen. Doch diese entpuppt sich als eine blonde Fee, mit der der Held viele Abenteuer erleben muss, bis er schließlich erkennen kann, wen er wirklich liebt.

Nun ist in solch einem Fantasieland per Definition alles möglich, und diesen Freibrief nutzten Gaiman und der britische Regisseur Matthew Vaughn etwas zu exzessiv, denn in einer Märchenwelt mögen zwar die Naturgesetze so verändert werden, wie es beliebt, aber wenn auch noch ein paar dramaturgische Regeln ignoriert werden, kommt dabei solch ein Mytheneintopf wie dieser Film heraus.

Dabei sind die einzelnen Episoden für sich gesehen so unterhaltsam und phantasievoll inszeniert, dass man an dem Film durchaus seine Freude haben kann. Nur, weniger wäre manchmal doch mehr gewesen. Aber das verzeiht man dem Film schließlich, weil er einen ironisch-komödiantischen Grundton hat, und immer auch deutlich macht, dass er mit den Klischees und Konventionen des Genres spielt.

So gibt es hier anstelle des altbekannten klassischen griechischen Chorus einen in schwarzweiß erscheinenden Klub von ermordeten Thronfolgern, der das Geschehen auf eine sehr komische Art und Weise kommentiert. Amüsant ist auch Michelle Pfeiffer als eine durch Magie verjüngte Hexe, die mit jeder weiteren Zauberei wieder ein wenig älter wird, was zu plötzlichen und unschmeichelhaften Veränderungen in ihrem Dekolleté führt. Und Robert de Niro hat offensichtlich Spaß an seiner kleinen Rolle als Piratenkapitän in Damenkleidern, in der er voller Hingebung Johnny Depps Captain Sparrow persiflieren darf.

Wilfried Hippen