Vom Tellerwäscher zum Propheten

„Gespräche mit Gott“ von Stephen Simon ist die Verfilmung eines religiösen Bestsellers

Ein Verriss dieses Films ist einfach zu schreiben. Seine Schwächen sind für jeden Zuschauer offenbar, aber er will sein Publikum auch gar nicht mit originellen Regieeinfällen, großen schauspielerischen Leistungen oder dramaturgischen Raffinessen blenden. Zu solch „eitlem Blendwerk“ nimmt der Regisseur Stephen Simon bewusst eine Gegenposition ein: hier soll so einfach, ehrlich und fromm wie möglich eine spirituelle Heilsgeschichte erzählt werden.

Neale Donald Walsch ist einer von jenen Autoren, deren geistliche Gebrauchsanweisungen von einem Millionenpublikum dankbar verschlungen werden. Einer von vielen bekehrten Kunden schrieb in seiner Rezension bei Amazon: „Ich habe die Worte aufgesogen wie einen Schwamm. Solange war ich ausgetrocknet und nun ergibt alles einen Sinn.“ Walsch behauptet, von Gott direkte Antworten auf seine existentiellen Fragen zu bekommen. Er selber sieht sich also nur als ein Sprachrohr der universellen Wahrheit. Dass sich hinter dieser vermeintlichen Demut in Grunde eine extreme Hybris verbirgt, ist nur einer der Widersprüche, die den Film auch für ein Publikum, das spirituell nicht bedürftig ist, durchaus sehenswert machen. Denn hier bietet sich eine gute Gelegenheit, einen Film gegen den Strich zu lesen. Und dabei kann man einiges über die Befindlichkeiten der schweigenden Mehrheit der USA erfahren, der es immerhin zu verdanken ist, dass George Bush für eine zweite Amtszeit wiedergewählt wurde.

In „Conversations with God“ wird die vermeintlich wahre Lebensgeschichte von Walsch erzählt. Dieser verlor nach einem erfolgreichen und sündigen Leben durch einen Unfall seine Arbeit, seine Gesundheit und seinen Wohlstand. Als Obdachloser sammelte er Pfanddosen und lebte in einem Trailerpark, wo er unter den Trinkern und Krüppeln wahre Freunde fand. Hoffnungen auf einen Job als Radiosprecher zerschlugen sich, als der Sender plötzlich bankrott ging, und in einem Moment tiefster Hoffnungslosigkeit schrie er seine Fragen an Gott heraus – und bekam Antworten. Diese brauchte er dann nur noch aufzuschreiben, von einer treuen Gehilfin abtippen zu lassen und bald hatte er einen Verleger gefunden, dessen Glaube mit einem riesigen Profit belohnt wurde. Interessanterweise wird auch die Verhandlung von Walsch und diesem kleinen unabhängigen Geschäftsmann mit den Vertretern eines internationalen Medienkonzerns, die ihnen viel Geld und dem Buch internationalen Erfolg garantiert, im Film wie eine spirituelle Erweckung inszeniert. Denn Walsch ist alles andere als ein asketischer Prediger, obwohl er im Film mindestens fünfmal deutlich macht, dass er keinen Alkohol trinkt und seine Lüsternheit immer nur behauptet, aber so gut wie gar nicht gezeigt wird. Profit und Erfolg sind für ihn gottgefällige Ideale, und so kann er hier auch den amerikanischen Mythos vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird, in eine religiöse Heilsgeschichte verwandeln.

Schon der rauschende Bart gibt dem Schauspieler Henry Czerny in der Rolle von Walsch ein alttestamentarisches Flair, und der Film beginnt auch bei einer seiner Lesungen, die eher Predigershows ähneln. Die kritische Frage eines der wenigen Skeptiker im Publikum macht dann Walsch nachdenklich und führt in eine lange Rückblende, in der sein mühsamer Weg zu Erkenntnis und Erfolg gezeigt wird. Gottes Stimme ist einfach nur seine eigene mit etwas mehr Tiefe und Hall, aber immerhin erspart der Film uns himmlische Erscheinungen. Ein besinnlicher Film für diese besinnlichen Wochen. Wilfried Hippen