Blümchensex als Hochkultur

„Lady Chatterley“ von Pascale Ferran

Einst gehörte es zu jenen verbotenen Büchern, die in den meisten Ländern auf dem Index standen und erst nach langen Prozessen legal veröffentlicht werden durften. Worauf dann die Leser die Buchläden stürmten, um den Roman nach den berühmten „Stellen“ zu durchforsten. Inzwischen gilt „Lady Chatterley“ von D. H. Lawrence längst als ein Klassiker der Weltliteratur, und eine Verfilmung wird kaum noch Skandale auslösen – auch wenn die Kamera bei den „Stellen“ nicht abblendet.

Genau das Gegenteil ist eingetreten, als die französische Filmemacherin Pascale Ferran die zweite von drei Versionen des Romans mit dem Titel „Lady Catterley and the Man of the Woods“ als einen 160 Minuten langen Film inszenierte. In Frankreich gewann der Film sechs Cesars (die gallische Version des Oscars), darunter einige der wichtigsten wie jenen für den besten Film, das beste Drehbuch und die beste Schauspielerin. Nachdem er bei der diesjährigen Berlinale gezeigt wurde, versuchten die Kritiker auch in Deutschland sich in ihren enthusiastischen Hymnen zu übertreffen. Als einen „anrührenden Liebesfilm, der sich Zeit lässt und feiert, wie zwei Körper zueinander finden“, lobt ihn etwa Anke Leweke ihn in der taz.

Tatsächlich ist „Lady Chatterley“ prachtvoll inszeniert, poetisch geschnitten und ständig durchwehen elfenhaft zarte Melodien die Bilder von der idyllischen Natur. In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts lebt Constance Chatterley im ländlichen England. Die junge Frau ist mit dem Minenbesitzer Clifford verheiratet, der im ersten Weltkrieg schwer verwundet wurde und seitdem unterhalb der Hüfte gelähmt ist. Constance kümmert sich aufopferungsvoll um ihren Mann, aber nachdem sie einmal zufällig sieht, wie der Wildhüter Parkin sich halbnackt auf einer Wiese wäscht, beginnen die beiden eine Liebesaffäre, die in allen Details gezeigt wird. Die Regisseurin hat dabei mit großer Sorgfalt und Sensibilität gearbeitet, der Schauspielerin Maria Hands gelingt es in der Titelrolle, die Gefühlswallungen, Skrupel und Ekstasen der jungen Frau spürbar zu machen. Das ganze ist äußerst stilsicher, geschmackvoll und mit einer eher feministischen Tendenz in Szene gesetzt.

Aber bei den langen Nahaufnahmen vom Blumen, Bäumen, fließendem Flusswasser und zärtlichen Händen kann es einem auch ein wenig langweilig werden. Pascale Ferran ist zu klug, um die Grenze zum Kitsch zu überschreiten, aber sie kommt ihr oft gefährlich nah. Und weil sie sich so radikal auf das Verhältnis zwischen Constanze und Parkin konzentriert hat, das sich langsam von einer sexuellen Anziehung in Liebe verwandelt, wirkt ihr Werk auf anderen Ebenen eher simpel.

So schrieb D. H. Lawrence auch ein sehr englisches Buch, in dem er präzise die Klassenunterschiede in der britischen Gesellschaft jener Zeit analysierte. Pascal Ferran hat dagegen einen durch und durch französischen Film gedreht, in dem alle Schauspieler wie Franzosen aussehen und sich wie solche bewegen. Wenn in der Originalfassung dann auch noch die Namen mit extrem französischem Akzent ausgesprochen werden, wirkt dies oft unfreiwillig komisch. Aus Clifford wird „Gliiforde“ und auch sonst hat die Regisseurin sich kaum darum geschert, den Film auch nur halbwegs britisch aussehen zu lassen. Francois Ozon hat in „Angel“ gerade bewiesen, dass auch ein Franzose ein stimmiges britisches Kostümdrama drehen kann, aber Pascal Ferran scheint hier eher den Ehrgeiz gehabt zu haben, aus D. H. Lawrence einen Franzosen zu machen.

Wilfried Hippen