DER BREMER FILMPREIS WIRD PROVINZIELL
: Eine eigenwillige Entscheidung

Eigentlich würdigt der Bremer Filmpreis „langjährige Verdienste um den europäischen Film“. Aber warum kriegt ihn dann die Schauspielerin Nina Hoss?

Seit 1999 wird in Bremen ein kleiner, feiner Filmpreis verliehen. In zwei aufeinander folgenden Jahren schien die Jury sogar prophetische Gaben zu besitzen. Die Preisträger Jean-Pierre und Luc Dardenne sowie Ken Loach bekamen 2005 und 2006 jeweils ein paar Monate später auch bei den Filmfestspielen in Cannes die goldene Palme für ihre neusten Filme verliehen. Die Preisträgerin von 2001, Tilda Swinton, ist in diesem Jahr die Jurypräsidentin der Filmfestspiele in Berlin. Weitere Bremer Preisträger sind Bruno Ganz, Agnès Varda, Kati Outinnen und, im vergangenen Jahr, Lars von Trier.

Eben dieser notorisch nicht reisende Regisseur kam dann allerdings als erster Preisträger nicht, um seine Auszeichnung bei der prunkvollen Verleihungszeremonie im Bremer Rathaus auch in Empfang zu nehmen. Vielleicht also wollten die Jury und die Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen – die den mit 8.000 Euro dotierten Preis spendet – also diesmal auf Nummer Sicher gehen und das Risiko einer langen Anfahrt über europäische Grenzen hinweg vermeiden. Vielleicht bekommt deshalb in diesem Jahr Nina Hoss den Preis.

Dass man bei der 33-jährigen deutschen Schauspielerin nicht unbedingt von langjährigen Verdiensten um den europäischen Film sprechen kann, wie sie laut Satzung mit dem Preis ausgezeichnet werden, ist auch der Jury – taz-Filmredakteurin Cristina Nord, Regisseur Andres Veiel und Filmkurator Helmut Prinzler – aufgefallen. Und so beginnen die JurorInnen ihre Begründung auch mit den Worten: „Es ist ein wenig merkwürdig, sich vorzustellen, dass Nina Hoss erst seit zwölf Jahren auf der Leinwand erscheint.“ Und der in diesem Jahr Geehrten Verdienste um den europäischen Film lassen sich allenfalls mit dem sophistischen Argument belegen, dass der deutsche Film ja auch ein europäischer ist. Immerhin: In ihrem Heimatland ist Nina Hoss eine der besten Schauspielerinnen, und in Christian Petzolds „Yella“ war sie auch auf den Filmfestspielen in Venedig zu sehen. Ansonsten ist sie außerhalb des Landes höchstens einigen Cineasten bekannt. In den bisher so exquisiten Club der Preisträger zumindest ist Hoss wohl ein paar Jahre zu früh berufen worden.

Merkwürdig ist jedoch, dass vor zwei Jahren schon die Cutterin Bettina Bühler den Preis bekam – auch sie eine enge Mitarbeiterin von Christian Petzold. Die Entscheidung für eine Cutterin schien damals ja noch klug und gewagt zu sein: Der Film ist nun mal eine kollektive Kunst, und ein Filmpreis wie dieser wäre eine gute Gelegenheit, neben dem Schnitt auch einmal Kameraarbeit, Drehbuch oder Musik dadurch hervorzuheben, dass ein KünstlerIn aus diesen Gewerken ausgezeichnet wird. Die SchauspielerInnen stehen verglichen damit ja ohnehin stets im Licht der Öffentlichkeit und räumen Auszeichnungen ab.

Jede Hoffnung auf einen Preis, etwa für einen Kameramann wie den Niederländer Robby Müller, ist mit der diesjährigen Entscheidung aber enttäuscht worden. Dem Bremer Preis ist mit der eigenwilligen Kür nicht gedient – warum ist die Jury nicht so ehrlich und verleiht ihn direkt an ihren Liebling, Regisseur Christian Petzold? WILFRIED HIPPEN

Der 14. Bremer Filmpreis wird heute um 18 Uhr im Bremer Rathaus verliehen

Fotohinweis:WILFRIED HIPPEN, 54, ist langjähriger Filmkritiker der taz bremen und nord. Zudem übersetzt er aus dem Englischen und Amerikanischen. FOTO: ARCHIV