Ems-Kanal: Eine Wasserstraße als Manöver

Angeblich lässt Niedersachsens Landesregierung den Bau des so genannten "Adolf-Hitler-Kanals" prüfen, um Luxusschiffe von der Meyer-Werft in Papenburg in die Nordsee zu überführen.

Wäre auf dem neuen Kanal vielleicht besser aufgehoben: Der Kreuzfahrt-Neubau "Norwegian Gem". Bild: DPA

Es hört sich wie ein Aprilscherz mitten im Winter an: Die Landesregierung Niedersachsen soll scheinbar den Bau des "Adolf-Hitler-Kanals" prüfen, um die Kreuzfahrtriesen der Meyer Werft in die Nordsee transportieren zu können. "Im Prinzip", sagt Wolfgang Kellner, halte er das Projekt "durchaus für eine Lösung", um Naturschutz, Tourismus und Meyer Werft "unter einen Hut" zu bekommen. Erst mal, fordert der parteilose Leeraner Bürgermeister, müsse eine Machbarkeitsstudie für die Finanzierung des Ems-Seitenkanals von Papenburg Richtung Nordsee her.

Mit Kosten von etwa einer Milliarde Euro kann bei der Wiederauferstehung des Projekts aus den 30er Jahren gerechnet werden. Aber Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) hat die Wasser-und Schifffahrtsdirektion Nordwest angeblich dennoch gebeten, erste Überlegungen für den Bau einer künstlichen Wasserstraße parallel zur Ems in den Dollart anzustellen. Auf ihr könnten die Kreuzfahrtriesen der Meyer Werft ins offene Meer transportiert werden, ohne die durch Sperrwerk und Baggerungen streckenweise bereits biologisch tote Ems weiter zu belasten. Im Gegenteil: Der geschundene Fluss könnte renaturiert werden.

Das Projekt hätte einen Urahnen: Ältere Bewohner der Region können noch etwas mit dem Namen "Adolf-Hitler-Kanal" anfangen. 1938 wurde mit dem Bau des Seitenkanals Gleesen-Papenburg zwischen Lingen und Meppen im südlichen Emsland begonnen. Er sollte die Zahl der Schleusen im Dortmund-Ems-Kanals verringern und eines Tages Richtung Nordsee fortgesetzt werden. 1942 wurden die Arbeiten eingestellt, weil das Projekt nicht kriegswichtig war. Insgesamt 15 Kilometer "Hitler-Kanal" soll es noch geben: Zum Teil nur als trockene, von Eisenbahnstrecken und Straßen durchzogene Mulde, an einigen der gefluteten Kanalstücke sieht man heute Angler sitzen.

Die letzten Kilometer der Ems heißen bei Umweltschützern ohnehin bereits "Meyer-Kanal", eine begradigte Schifffahrtsrennstrecke. 2.500 Jobs sichert die Werft direkt in Papenburg, ein Vielfaches bei Zulieferern. Ende Februar wird mit der "Aidaluna" ein weiteres Kreuzfahrtschiff über das Nadelöhr Ems ausgeliefert werden. Dann ist erst mal Schluss, weil zwischen März und September nicht gestaut werden darf - ein Zugeständnis an Naturschützer beim Bau des Sperrwerks in Gandersum. Meyer wurmt das, weil die Ems ohne Stau nicht genug Tiefgang zur Überführung der Riesenpötte hat und so nur zwei Schiffe im Jahr geliefert werden können. Zehn der Luxusliner im Wert von 4,5 Milliarden Euro stehen bis Ende 2012 noch in den Auftragsbüchern der Werft, zudem vier Gastanker.

Die Werft solle ans Meer umziehen - das fordern Umweltschützer seit langem. Der Landkreis hat dagegen beantragt, dass die Ems künftig auch im Sommer für die Überführung von Meyers Schiffen gestaut werden darf. Das sei derzeit das vorrangige Ziel, heißt es bei der Werft und Lokalpolitikern - nicht etwa irgendein Kanal. Wulffs Staatskanzlei betont, es gebe "vielfältige Gespräche" mit Werft, Behörden und Umweltschützern - deren Inhalt sei allerdings "vertraulich", sagt eine Sprecherin.

Die Grünen sehen im Kanal-Gemurmel dagegen ein "Scheinmanöver", mit dem sich die Wulff-Truppen die Genehmigung für die umstrittene Aufhebung der Sommerstaubeschränkungen in Brüssel "erschleichen" wollten. "Das Land greift zu einem Taschenspielertrick", sagt der Fraktionsvorsitzende Stefan Wenzel. Vordergründig werde der Bau des Seekanals von Papenburg bis Leer "geprüft, um dann festzustellen, dass das Projekt nicht zu bezahlen und weder wirtschaftlich noch ökologisch von Vorteil ist". Nur so könne behauptet werden, dass alle Alternativen für Schiffsüberführungen erwogen worden sind und dass "kein Weg daran vorbeiführt, die Ems selbst endgültig zum Kanal auszubauen".

Der Bürgermeister von Leer, Wolfgang Kellner, meint sogar, dass sich langfristig der Kanalbau durchaus rechnen könne: Er spricht von EU-Fördergeldern und den bis zu 20 Millionen Euro, die es jährlich kostet, den Schlick aus der Ems zu baggern, damit Meyers Schiffe den gestauten Fluss befahren können. Kellner: "Da muss man ausrechnen, was sich sparen lässt."

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