Atomtransporte: Heiße Ware am Europakai

Cuxhaven könnte zum Umschlagplatz für Brennstäbe aus Sellafield werden. Vielleicht wird die strahlende Fracht aber auch anderswo verladen: Die Auftraggeber suchen offenbar nach Alternativen.

Greenpeace-Demonstranten in Bremerhaven: Auch dort wollte man den Atommüll aus Sellafield nicht haben. Bild: dpa

200 uniformierte Gestalten machten sich in der Nacht zum 17. August am Europakai im Hafen von Cuxhaven zu schaffen - geschützt von niedersächsischen Polizeieinheiten, die das Gelände weiträumig abgesperrt hatten. Am Kai vor Anker lag der englische Frachter "Atlantic Osprey'", ein 80 Meter langes Transportschiff. Eine Woche zuvor, am 10. August hatte es den Hafen im nordenglischen Workington verlassen - von dort pflegt die Plutonium-Fabrik Sellafield seit Jahren radioaktive Brennelemente und Atommüll zu verschiffen. Die "Atlantic Osprey" allerdings war leer in jener Nacht.

Wie Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) später erklärte, handelte es sich um eine "sogenannte Kalterprobung": der Vorbote eines Transportes von acht Mischoxidbrennelementen (MOX) mit 100 Kilogramm hoch strahlendem Plutonium. Der echte Transport soll im September tatsächlich über Cuxhaven abgewickelt werden. Auftraggeber ist die Gesellschaft für Nuklear-Service, Abnehmer der Energiekonzern Eon. Es wäre der erste Transport dieser Art seit 1996. Damals lief alles über Bremerhaven.

Der Cuxhavener Coup wäre nie herausgekommen, wäre nicht ein paar Nachtschwärmern der Auflauf am Europakai komisch vorgekommen. Respektive Greenpeace hinter der Geheimniskrämerei nicht gleich den atomaren Ernstfall sowie das Ziel der heißen Ladung - das AKW Grohnde - vermutet hätte.

Eigentümer des Europakai in Cuxhaven ist die private Niedersächsische Hafengesellschaft mbH, eine hundertprozentige Tochter der Landesregierung.

Antragsteller für den Transport ist - im Auftrag des Energieriesen Eon - die Gesellschaft für Nuklear-Service, die für ihre AKW in Grohnde und Brokdorf bei der Sellafield MOX Plant (SMP) insgesamt 108 MOX-Brennelemente bestellt hat.

Direkte Autobahn- und Gleisanschlüsse des Europakai ermöglichen es, die Brennelemente über den Verschiebebahnhof Maschen problemlos nach Grohnde zu transportieren.

Die Stadt Cuxhaven, gerade erst von der Unesco zum Anrainer des "Weltnaturerbe Wattenmeer" befördert, stand Kopf. Einerseits sind strahlende Brennstäbe das Letzte, was man hier, in der vom Tourismus abhängigen Gegend gebrauchen kann. Andererseits hatte es niemand der Beteiligten für nötig gehalten, den Magistrat zu informieren. Die Bevölkerung bekam Angst, dann wurde sie ärgerlich. Auch die Lokalpolitik vom grünen Bürgermeister Bernd Jothe bis zum CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Christian Biallas ("die Aufklärung ist mangelhaft") mochte es nicht recht fassen.

Weitere Erkenntnisse brachte erst eine Anfrage der Landtags-Grünen: Sie mutmaßten, dass in Zukunft "auch für die Endlagerung in Deutschland vorgesehener Atommüll aus Sellafield über Cuxhaven umgeschlagen werden könnte". Dazu sagte Innenminister Schünemann nichts, gab aber gewohnt schneidig zu Protokoll: Ja, der Transport werde in Cuxhaven anlanden. Wann und wohin die Ladung gehe, sei - und bleibe - ein Staatsgeheimnis. Da sei die Landesregierung nicht zuständig, sagte sein Sprecher Klaus Engemann, sondern das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS).

"Stimmt nicht", konterte BFS-Sprecherkollege Werner Nording. "Route und Zeitpunkt eines derartigen Transports werden zwischen dem vom Energieversorger beauftragten Transporteur und der Landespolizei abgestimmt." Dabei komme dem Innenministerium eine maßgebliche Rolle zu: Schünemanns Haus koordiniere, so Nording, "die Festlegung von Auflagen für die Transportgenehmigung etwa im Hinblick auf spezielle Sicherungsanforderungen".

Inzwischen hat die Gesellschaft für Nuklear-Service zusätzliche Alternativen zur Anlandung in Cuxhaven beantragt. Wo diese liegen, bleibt im Dunkeln. Das BFS, so Nording, dürfe zu laufenden Anträgen nichts sagen. Schünemanns Sprecher Klaus Engemann wiederum sagt: "Wir wissen nichts."

Engemann zufolge hatten Eon und der Transporteur zum Zeitpunkt der Nachtübung noch nicht mal eine Genehmigung vom BFS, dass sie in Cuxhaven überhaupt MOX-Elemente anladen dürfen. Aber schon Flankenschutz von seinem Minister.

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