Off-Kultur: Mitmachen oder nicht?

In der Hafencity findet das Festival "Subvision" statt. Für einige Künstler ist es eine Chance zur Präsentation, andere überlegen, ob man sich nicht instrumentalisieren lässt.

Die Installation "Konkretes Biedermeier im Spiegel unserer Zeit" des luxemburgischen Künstlers Mark Divo. Bild: Klaus Irler

Der Strandkai in der Hamburger Hafencity ist wie ein Keil, der in die Elbe ragt. Ein Keil mit einer Fläche von 10.000 Quadratkilometern, auf der noch nicht gebaut wird, während außenrum gerade Hamburgs neuer Prestige-Stadtteil mit seinen Luxus-Wohnungen, Nobel-Restaurants und der Elbphilharmonie entsteht. Der Strandkai ist momentan vollgestellt mit Containern, die rund 100 Künstlern aus 20 Ländern Raum bieten, um ihre Arbeit zu präsentieren. Die Container sind in Schachbrettmanier angeordnet und zum Teil haushoch aufeinander gestapelt. Zwischen den Containern stehen immer wieder Bierbänke, Sofas und Kunstwerke. Es ist ein eigenartig entrücktes Künstlerdorf, in dem die genormten Behälter des Welthandels auf die Freiheit der zeitgenössischer Kunst treffen.

Bis zum 6. September ist das Künstlerdorf Schauplatz des Subvision-Festivals, das die Hamburger Hochschule für bildende Kunst (HFBK) organisiert hat. Das Festival ist einerseits ein Ort, an dem Kunst gezeigt wird, vergleichbar mit einer Kunstmesse. Andererseits sind es nicht nur Werke, sondern auch die Konzepte von Künstlerinitiativen, die hier vorgestellt werden.

Es gab Streit um dieses Festival, einen sehr hamburgischen Streit, der der Veranstaltung eine gewisse Würze verleiht. In einer Resolution im Internet warfen 24 Unterzeichner aus der Hamburger Off-Szene den Subvision-Veranstaltern unter anderem vor, die ausländischen Off-Kunst-Initiativen zu instrumentalisieren und damit "die unbequemen Forderungen der lokalen Initiativen auszubremsen". Die Resolution ist nicht neu, trotzdem gibt es auf der aktuellen Festival-Website www.subvision-hamburg.com als Seitenaufmacher eine Entgegnung der Künstlerinitiative Chto delat aus St. Petersburg. Im Kern geht es um die Frage, wie man sich als Künstler zur künstlerischen Aufwertung von umstrittenen Stadtentwicklungsprojekten wie der Hafencity verhält: Mitmachen, weil es sich um eine Chance für die Kunst handelt? Oder sich verweigern, weil man sich nicht vor einen Marketing-Karren spannen lassen will, der für den Imagegewinn eines Luxus-Stadtteils da ist?

Bis zum 6. September zeigen über 30 Künstlerinitiativen aus 20 Ländern ihre Arbeiten und Ideen in einer Containerstadt auf dem Sandkai in Hamburgs Hafencity. Der Eintritt ist frei. Das Gelände ist jeden Tag ab 14 Uhr geöffnet.

Die Künstlerinitiativen sind Gruppen und Netzwerke, die gemeinsam an Projekten arbeiten. Sie arbeiten in wechselnden Konstellationen und interessieren sich für Präsentationsformen, die sie unabhängig gestalten können.

Im Rahmenprogramm gibt es jeden Tag ab 16 Uhr Künstlergespräche, Video-Screenings, DJ-Sets, Lesungen und Vorträge - beispielsweise über libanesische Pop-Action-Filme der 80er Jahre (Sonntag, 20 Uhr).

Chto delat hat sich entschieden, die Chance zu sehen und wird das bei einem Künstlergespräch am morgigen Freitag um 16 Uhr auf dem Festivalgelände erörtern. Das Hauptargument für Chto delat ist, dass es keinerlei Einflussnahme durch die Veranstalter auf die dargebrachte Kunst gegeben hat. Außerdem gibt es keine Werbebanner auf dem Gelände, darauf hat die HFBK geachtet. Es ist die völlige inhaltliche Freiheit, die das Festival beispielsweise für die Vertreter der Galleria Huuto aus Helsinki schlicht zu einer Gelegenheit machen, sich zu präsentieren und mit anderen zu vernetzten. "Wir haben kein Statement zur Hafencity", sagt Huuto-Künstlerin Mirla Raito.

Für den Berliner Künstler Jaro Straub ist der Strandkai mitten in der Hafencity "kein unproblematischer Ort". Auf der einen Seite des Kais schaue man auf den Hafen, mithin die Realität, auf der anderen Seite auf die Townhouse-Luxuswelt. "Mich interessiert das Spannungsverhältnis zwischen beiden Welten. Wir als Künstler sind hier dazwischen eingequetscht." Straub ist gerade dabei, eine Kugelbarke, also eine Art Leuchtturm, mit einer Größen von sechs Metern zu bauen. Das Modell dazu hat er auf einem Berliner Flomarkt gekauft.

Mark Divo von der Züricher Künstlerinitiative D.I.V.O. Institute kennt das Problem, dass die Mietpreise die Künstler aus der Stadt treiben nur zu gut aus Zürich. Zur Hafencity sagt er: "Ich finde es toll, dass man ein Ghetto für die Reichen baut. Die bleiben dann unter sich und machen nicht die Innenstädte unbewohnbar." Divo sagt das ganz nüchtern, ohne Bitterkeit. Die D.I.V.O. Institutsmitglieder haben unter anderem eine Landschaft aus Kissen gebaut. Auf denen können sich die Besucher von diversen Multimedia-Installationen ausruhen und ihre Eindrücke auf einer Schreibmaschine zu Papier bringen. Wer seine Texte referiert, bekommt ein Bier. "Die Hafencity-Leute werden sich nicht für uns interessieren", sagt Divo. "Aber die Diskussion ist symptomatisch."

Für alle Künstlerinitiativen war der Deal, dass die HFBK die Reise bezahlt sowie die Materialkosten, die Unterbringung und die Verpflegung. Gage gibts keine, dafür gibt es von verschiedenen Seiten Lob für die gute Organisation - für die Durchführung des Festivals hat die HFBK rund 40 StudentInnen engagiert und wenn ein Künstler einen Baumstamm zum Bildhauen braucht, dann kriegt er auch einen.

Was dabei künstlerisch rauskommt, ist sehr unterschiedlich. Ein roter Faden scheint aber die Offenheit zu sein, mit der die Künstler über sich und ihre Arbeit sprechen: Es gibt keine Allüren, keine Atmosphäre der Konkurrenz, dafür gibt es die Tendenz zu gemeinschaftlichem Arbeiten innerhalb der Initiativen. Den das Festival bezeichnenden Begriff des Subersiven will HFBK-Präsident Martin Köttering so verstanden wissen, dass Künstler "außerhalb des Systems Kunst Wege und Möglichkeiten suchen, um in gesellschaftliche Räume hineinzuwirken."

Mit dem "System Kunst" meint Köttering das Zusammenspiel von Galerien, Kunstmessen, Biennalen, Sponsoren und Medien. Zu den inneren Widersprüchen des Festivals gehört, dass es trotzdem eine Pressekonferenz braucht, eine staatliche Kunsthochschule als Veranstalter und eine am wirklich Subversiven sicher nicht interessierte Hafen City GmbH als Geldgeber. Aber Widersprüche sind nicht weiter schlimm - man muss sie nur aushalten können.

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