Gegen Nazis: Pinneberger zeigen Flagge

4.000 Menschen demonstrierten am Samstag gegen einen Aufmarsch von 200 Rechtsextremen. Durch Auflagen und einen Trick der Polizei kam es zu keinem Aufeinandertreffen der beiden Gruppen.

Pinneberg demonstriert: Etwa 4.000 Menschen gingen am Samstag gegen einen Naziaufmarsch auf die Straße. Bild: Markus Scholz

Kein normaler Tag in Pinneberg: leere Straßen, ein Hubschrauber kreiste, Polizeisperren und Einsatzwagen überall. Der Pkw- und Nahverkehr ruhte, der Fernverkehr schlich im Schneckentempo durch den Bahnhof, in dem sich Neonazis und Antifaschisten versammeln wollten. Doch später füllte sich die City: Unter dem Motto "Pinneberg ist für alle da, gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus - ohne uns" demonstrierten laut Veranstalter 4.000 Menschen gegen Nazis. Von der Drohung, sich den Neonazis durch zivilen Ungehorsam in den Weg zu stellen, mussten die Protestler keinen Gebrauch machen. Die Polizei hatte die Nazis umdirigiert.

Noch am Morgen versuchten die Polizeisprecherinnen Sabine Zurlo und Silke Tobies auf einer improvisierten Pressekonferenz vor dem Kreishaus Unwissenheit vorzugaukeln. Tags zuvor hatte ein Gericht entschieden, dass die Stadt den Aufmarsch der Freien Kameradschaften um den Hamburger Neonazi Thomas "Steiner" Wulff gewähren lassen muss, mögliche Konfrontationen über Auflagen unterbunden werden könnten. Durch das späte Urteil habe die Polizei nichts planen können, sagte Zurlo, deshalb müsse die Polizei jetzt "flexibel und dynamisch" mit Auflagen reagieren. Was sie verschwieg: Bereits in der Nacht zuvor war mit Wulff konferiert worden, um den Aufmarsch per Auflage vorzuverlegen.

Während sich die Teilnehmer der Demonstration der Jüdischen Gemeinde und des Bündnisses "Ohne uns" noch am Bahnhof versammelten, hatte sich der Nazi-Treck vom Südbahnhof aus in die Peripherie längst in Bewegung gesetzt. Auf ihrem Marsch durch Gewerbegebiete und der Reihenhaussiedlung Quellental machten die etwa 200 Neonazis, von starken Polizeieinheiten geschützt, keinen Hehl aus ihrer Fremdenfeindlichkeit. "Schluss mit Multikulti" und "Ist der Ali kriminell - Abschiebung aber schnell", skandierten sie. Viele Quellentaler zeigten sich über den von Trommlern angeführten Demonstrationszug entsetzt.

Der Kreis Pinneberg an der Unterelbe zählt gut 300.000 Einwohner und gehört zur Metropolregion Hamburg. Die Kreisstadt Pinneberg an den Flüsschen Pinnau und Mühlenau hat rund 42.000 Einwohner.

Im "Pinneberger Bündnis ,Ohne uns' gegen Nationalsozialismus in Pinneberg und anderswo" arbeiten 50 Organisationen, Initiativen, Gewerkschaftsgruppen, Parteien und Vertreter der Kirchen, der jüdischen Gemeinde sowie der muslimischen Gemeinschaft mit.

Der Landrat des Kreises hatte den Neonaziaufmarsch auf Druck des Bündnisses vor zwei Wochen verboten, da ähnlich wie in Hamburg am 1. Mai 2008 Krawalle von militanten Autonomen Nationalisten gefürchtet wurden.

Das Oberverwaltungsgericht hob Freitag das Versammlungsverbot mit den Hinweis auf, dass es keine konkrete Hinweise für eine Teilnahme Autonomer Nationalisten gebe. Konfrontationen mit Gegendemonstranten könnten durch Auflagen verhindert werden.

Indes war die Bündnis-Demo in die Pinneberger City gezogen, wo man eigentlich den Treck der Nazis blockieren wollte. Während der Rede der 80-jährigen Auschwitzüberlebenden Esther Bejarano, die in einem Taxi an der Demo teilnahm und kein Verständnis dafür zeigte, dass "die braunen Horden von Polizei und Justiz geschützt marschierten", dröhnte der Polizeihubschrauber über der Menge - so dass kaum etwas zu verstehen war.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Wolfgang Siebert, dankte allen, die gekommen waren, um die Nazis zu stoppen und versprach: "Die braunen Verbrecher haben sich verrechnet, Juden schweigen nicht mehr, Juden wehren sich." Die Vizepräsidentin des Bundestages und Linken-Politikerin, Petra Pau, warb für eine Volksfront gegen Nazis: "Über alle Differenzen des Alltags hinweg, müssen wir Einigkeit zeigen, wenn es gegen Rechtsextremismus geht."

Pfarrer Thomas Drope zeigte sich nach der Demo von der Teilnehmerzahl beeindruckt. Und auch Versammlungsleiter Uwe Zabel, Chef der IG Metall Unterelbe, war einerseits empört, dass die Nazis "unbehelligt marschieren" konnten, anderseits aber erleichtert: "Wir sind mit dem massiven breiten antifaschistischen Protest gegen den Aufmarsch der Hooligans des vorbestraften Neonazikaders Thomas Wulff sehr zufrieden." Auch die Polizei registrierte nur einzelne Vorkommnisse. Mehr als 30 Personen wurden in Gewahrsam genommen, teilte ein Polizeisprecher mit. Schwere Zwischenfälle oder Verletzte gab es nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.