Pinneberg droht Nazi-Event: Wo der Widerstand sich warmläuft

Anfang Juni wollen "freie Kameraden" um den Neonazi Thomas Wulff durch Pinneberg marschieren. Ein breites Bündnis kündigt an, den Umzug zu verhindern - notfalls sollen auch die Busse streiken.

Nächstes Ziel Pinneberg: Rechtsradikale demonstrieren Anfang 2001 im benachbarten Elmshorn. Bild: dpa

Die Botschaft des Bündnisses "Ohne uns - kein Neonaziaufmarsch in Pinneberg" ist denkbar eindeutig: "Wir erwarten vom Landrat und dem Kieler Innenministerium, dass der Neonaziaufmarsch verboten wird", sagt der Sprecher des Bündnisses, Uwe Zabel, ansonsten Chef des IG-Metall-Bezirks Unterelbe. Der Pinneberger Propst Thomas Drope flankiert: "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."

Für den 6. Juni hat der Hamburger Neonazikader Thomas Wulff in der Kreisstadt bei Hamburg einen Marsch so genannter freier Kameradschaften angemeldet. Die militanten Neonazis wollen vom Bahnhof aus durch die Pinneberger Innenstadt am Haus der jüdischen Gemeinde vorbei sowie durch ein vornehmlich von Migranten bewohntes Quartier ziehen.

Das Pinneberger Bündnis gegen den Neonaziaufmarsch am 6. Juni versucht mit den örtlichen Verkehrsbetrieben zu vereinbaren, dass die BusfahrerInnen anreisende Rechtsradikale nicht befördern müssen - und betritt damit juristisches Neuland.

Möglich wäre eine solche Maßnahme wohl: Eine entsprechende Vereinbarung würde nicht gegen die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen, sagt zumindest der Hamburger Jurist Klaus Bertelsmann. Denn nach einheitlicher Rechtsauffassung sei Nazi-Ideologie "keine Weltanschauung" - wäre das anders, würde das AGG greifen. Das gehe aus den einschlägigen Kommentierungen hervor, so Bertelsmann.

Die Pinneberger Verkehrsbetriebe (PVG) befassen sich derzeit noch mit dem Anliegen, teilte ein Sprecher mit. Eine Entscheidung werde "in den nächsten Tagen" fallen.

In der Vergangenheit hatte die PVG wiederholt auf Weisung der Polizei hin ihre Fahrzeuge für Transportdienste zu und von Demonstrationsschauplätzen einsetzen müssen. (pemü)

Die jüdische Gemeinde - deren Gemeindehaus vor einem Jahr Ziel eines Anschlages wurde - hat eine Gegendemonstration angemeldet. Und zwar für den Fall, dass ein gefordertes Verbot für den Nazimarsch nicht ergehen sollte. "Wir werden uns mit friedlichen Mitteln in den Weg stellen", sagt auch der örtliche DGB-Chef Carsten Wessels. Zum Protest gegen Wulffs Kameraden ruft mittlerweile ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Parteien, Initiativen und mehreren Gemeinden verschiedener Religionen auf. "Wir setzen uns nicht nur für Migranten ein, die von Neonazis angegriffen werden", sagt Propst Drope, "wir müssen uns vor sie stellen".

Dem Betriebsratschef eines Autozulieferbetriebs im benachbarten Elmshorn, Klaus-Dieter Brüggemann, ist es wichtig, dass die Nazis durch Straßen marschieren wollen, wo viele seiner ausländischen Kollegen wohnen. "Man muss sich solchen Leuten in den Weg stellen", sagt Brüggemann - "das verstehen wir unter zivilem Ungehorsam".

Die Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA sowie Ver.di sind inzwischen an die Deutsche Bahn sowie an die örtlichen Linienbusbetriebe herangetreten, um eine schriftliche Vereinbarung mit ihnen abzuschließen, dass die braunen Demonstranten nicht transportiert werden müssen. "Es ist nicht zuzumuten, dass die Busfahrer Neonazis durch die Gegend karren", sagt dazu Ver.di-Sekretär Andreas Bern. Auch er fordert ein Verbot des Aufmarschs und erinnert an die Geschehnisse am 1. Mai dieses Jahres, als Neonazis systematisch Gewerkschaftskundgebungen angriffen - auch im 25 Kilometer entfernten Itzehoe. "Aus dem Nichts kamen 200 Neonazis um die Ecke", erinnert sich Bern. "Viele Leute waren äußerst entsetzt."

Kritische Einwände, der Naziaufmarsch am 6. Juni werde durch Proteste und das Medieninteresse nur zusätzlich aufgewertet, hält das Gegenbündnis für verfehlt. Dem rechten Event "nichts entgegenzusetzen, würde Pinneberg herabwerten", sagt vielmehr Propst Drope. "Wo nichts gemacht wurde, haben sich Neonazistrukturen gebildet und verfestigt", ergänzt Gewerkschafter Zabel mit Blick auf die Unterelberegion. "In der deutschen Geschichte haben die Kirchen durch Schweigen schon einmal versagt", legt der Probst nach. "Heute müssen wir sagen: Es bleibt uns nichts anderes übrig, als Widerstand zu leisten."

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