Erst verurteilen, dann abschieben

Niedersachsens CDU-Innenminister Uwe Schünemann will härtere Strafen für jugendliche Straftäter. Der Kriminologe Christian Pfeiffer fordert stattdessen, Jugendlichen zu helfen, die Gewalt in ihren Familien erleben

Die Reaktion war zu erwarten: Eine Woche, nachdem zwei Jugendliche in München brutal einen Rentner überfallen haben, mischt sich Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) in die Debatte um härtere Strafen für jugendliche Gewalttäter ein. Auf NDR Info forderte Schünemann am Sonntag, weniger Heranwachsende zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr nach Jugendstrafrecht zu verurteilen.

Auch wiederholte Bewährungsstrafen verfehlen in des Ministers Augen ihre Wirkung. Jugendliche müssten schneller arrestiert werden, um die Konsequenz ihres Handelns konkret zu spüren. Schünemann forderte außerdem ein höheres Strafmaß für junge Gewalttäter. Eine Tat wie der Münchner Überfall müsse mit mehr als zehn Jahren Haft bestraft werden.

Es sei eine Tatsache, dass ausländische Jugendliche häufiger kriminell würden als einheimische, so Schünemann weiter. Er sprach sich dafür aus, Serienstraftäter ohne deutschen Pass in ihr Herkunftsland abzuschieben, damit sie dort ihre in Deutschland verhängte Haftstrafe absitzen.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer widersprach Schünemanns Forderungen im NDR energisch. Es sei erwiesen, dass Jugendliche, die arrestiert werden, zu 71 Prozent rückfällig würden, während die Rückfallquote nach Bewährungsstrafen bei 50 Prozent liege. Auch wenn die Münchner Täter – ein 17-jähriger Grieche und ein drei Jahre älterer Türke – erwachsen wären, käme für die als versuchter Totschlag zu bewertende Straftat keinesfalls eine Haftzeit von über zehn Jahren infrage.

Pfeiffer kritisierte, es werde zu selten gefragt, warum „ausländische Jugendliche häufiger gewalttätig würden als deutsche“, und lieferte prompt eine Erklärung: Sie litten häufig unter „massiver familiärer Gewalt“. Anders als etwa in Schweden, wo Kinder schon in der Grundschule Ansprechpartner bei innerfamiliären Gewaltproblemen hätten, werde das Problem hierzulande nur tatenlos „registriert“. Wichtiger als der Ruf nach härteren Strafen sei die gezielte Förderung dieser Jugendlichen.

Der hannoversche Kriminologe plädierte für die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen, in der soziales Lernen im Vordergrund stehe. Gerade am Nachmittag gingen die Lebenswelten ausländischer und deutscher Jugendlicher auseinander: So besäßen Jungen mit Migrationshintergrund „drei mal so viele Killerspiele“ wie ihre deutschen Altersgenossen. MARCO CARINI