Deutscher Panzer stört Verhandlungen

Ein Funktionär der Jungen Union bringt mit rechtslastigen Sprüchen Hamburgs CDU ins Schlingern und gefährdet die laufenden Koalitionsgespräche mit den Grünen. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen rassistischer und antisemitischer Beleidigungen

Seit acht Jahren ist Dennis Ugurcu Landesvorsitzender der Jungen Union in Bremen, und in dieser Zeit hat der 27-Jährige sich selbst in seiner eigenen Partei Feinde gemacht – zum Beispiel mit der Forderung, den „verhinderten Terroristen“ Murat Kurnaz auszuweisen. Kurnaz war ohne Rechtsgrundlage fünf Jahre im US-Gefangenenlager Guantánamo festgehalten und gefoltert worden. Für Ugurcu ist er indes nach wie vor ein „Sicherheitsrisiko“, mehr noch: eine „Gefahr für unsere Demokratie“. So wie auch übrigens die Linkspartei, die er deshalb unbedingt vom Verfassungsschutz beobachten lassen will. Leichter tut Ugurcu sich schon mit einem klaren Bekenntnis zu „Deutschland, unserem Vaterland“. Und weil gerade der Wehrmachts-Offizier Claus Schenk Graf von Stauffenberg „sein Leben für die Ehre Deutschlands gegeben“ habe, wollte Ugrucu ihm ein Denkmal in Bremen setzen – mit einer Statue, „mindestens in der Größe des Bismarck-Reiterstandbilds vor dem Dom“. MNZ

Von Sven-Michael Veit

Als liberale Großstadtpartei präsentieren Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust und Parteichef Michael Freytag ihre Union gerade in den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der Grün-Alternativen Liste (GAL). Alexander Weiß kommt ihnen da in die Quere. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU) im Hamburger CDU-Kreisverband Nord sorgt mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen für innerparteiliche Unruhe. Die Staatsanwaltschaft Hamburger ermittelt gegen den 21-jährigen Jurastudenten.

Es liege schon seit 21. Dezember 2007 eine Anzeige gegen Weiß wegen Beleidigung vor, bestätigte Pressestaatsanwalt Rüdiger Bagger am Donnerstag der taz. Ob auch der Verdacht der Volksverhetzung bestehe, vermochte er nicht zu sagen – obwohl der durchaus nahe liegt.

Weiß hat im Internet Spuren hinterlassen, die nach rechts weisen – in Gruppen wie „Gegen Inländerfeindlichkeit durch Ausländer“, „Mit 30 in die Fremdenlegion“ oder „Nach Frankreich fahr ich nur auf Ketten“ im Studentenportal „StudiVZ“. Hinzu kommen weitere Einträge unter „Bildungselite grüßt die neue deutsche Unterschicht“ oder „Initiative zur Wiedereinführung des deutschen Fräuleins“. Die Bild-Zeitung meint sogar zu wissen, dass Weiß das Portal zwischenzeitlich in „StudiKZ“ umbenannt habe.

Weiß‘ Anwältin Tanja Irion erklärte auf Anfrage der taz, dass ihr Mandant alle Vorwürfe bestreite. Sie werde das Springer-Blatt „abmahnen“ und sich „wegen der erfolgten falschen Berichterstattung“ weitere rechtliche Schritte vorbehalten. Nähere Angaben lehnte sie wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens ab. Auch ihr Mandant werde sich nicht äußern, schon gar nicht zu den in der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen.

Danach soll Weiß im Oktober vorigen Jahres eine Kommilitonin als „Niggerschlampe“ beschimpft haben. Auch soll er behauptet haben, dass „Nicht-Arier eine Schande für das Juristentum“ seien. In diesem Fall deutete Irion an, dass der Vorgang ganz anders abgelaufen und ihr Mandant das eigentliche Opfer gewesen sei.

Wortkarg ist ebenfalls die Hamburger CDU. Man nehme den Vorgang „sehr ernst“, versichert Martin Wielgus, persönlicher Referent des im Osterurlaub weilenden Landesgeschäftsführers Gregor Jaecke. Zunächst aber müsse „die Junge Union die Sache klären“, heißt es in der Parteizentrale am noblen Leinpfad. Deren Vorsitzende Ina Diepold aber ignorierte am Donnerstag und Karfreitag Anrufe und SMS beharrlich.

Der CDU-Nachwuchs ließ sich bereits im vorigen Jahr von rechtslastigen Mitgliedern wenig erschüttern. Im Oktober sprangen der Wandsbeker Bezirkschef Tobias Hagen und Fabian Rehberg von der Jungen Union Bramfeld der gescholtenen Eva Hermann bei. Nach ihrem Rauswurf aus der Kerner-Show am 11. Oktober schrieben sie dem Talkmaster: „Niemand ist ein Nazi, nur weil er Fakten aus dem Dritten Reich kennt und benennt.“ Zwölf Tage später stritt der JU-Landesvorstand über mögliche Konsequenzen, zwölf von 16 Mitgliedern forderten die beiden zum Rücktritt auf. Nikolaus Haufler, Kreischef Mitte, befand jedoch, dass der Versuch junger Menschen, einen eigenen Umgang mit der Geschichte ohne die Scheuklappen der 68-Ideologie zu finden, nicht so gravierende Folgen haben dürfe. Hatte er auch nicht: Hagen ist noch immer im Amt.

Ob die Affäre die Koalitionsgespräche zwischen GAL und CDU belasten wird, ist noch unklar. „Wenn die Vorwürfe zutreffen, hat das strafrechtliche Relevanz und muss verfolgt werden“, meinte die grüne Innenpolitikerin Antje Möller. Wenn am kommenden Mittwoch die Verhandlungen fortgesetzt werden, sollen auch Maßnahmen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zur Debatte stehen.

Da würden sich Nachfragen der Grünen bei CDU-Parteichef Freytag aufdrängen, wie er den Fall Weiß zu lösen gedenke. Dies umso mehr, als Freytag bis November vorigen Jahres als Kreisvorsitzender im Parteikreis Nord direkten Kontakt zu dem Nachwuchsmann hatte.

Deutlich äußerte sich gestern nur das GAL-Pendant zur Jungen Union, die Grüne Jugend. Sollte Weiß nicht von sich aus zurücktreten, müssten CDU und Junge Union ihn „mit sofortiger Wirkung“ rauswerfen, erklärte Landesvorsitzende Linda Heitmann.

Mitarbeit: Andreas Speit