Es grünt so grün – auf geduldigem Papier

Modern, sozial, ökologisch und emanzipatorisch: Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in Hamburg ist unerwartet gut. Für die Elbvertiefung und die Innere Sicherheit akzeptiert die CDU viele grüne Positionen, die kürzlich noch als Teufelszeug galten

EINE ANALYSE VON SVEN-MICHAEL VEIT

Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag ist gut. Unerwartet gut. Und er ist es gerade und vor allem bei den Themen, die in den vergangenen Wochen meist im Schatten der drei beherrschenden (Streit-)Punkte Schule, Elbe und Moorburg standen.

Denn in weiten Teilen weist diese Regierungsvereinbarung eine moderne, soziale, ökologische und emanzipatorische Sichtweise auf – die Mahnung eines Leitartikels in Springers Welt vor zwei Wochen, es dürfe nicht sein, „dass der grüne Schwanz mit dem schwarzen Hund wedelt“, ist ungehört verhallt.

Die Klarstellung, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga/GWG „nicht verkauft“ wird, ist garniert mit der künftigen öffentlichen Förderung von mindestens 5.000 neuen Wohnungen pro Jahr. Das ist das Gegenteil der bisherigen CDU-Politik; das erklärte Ziel, mit arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in sozial schwachen Quartieren 4.000 Arbeitsplätze zu schaffen, ebenfalls.

Die Einrichtung eines mit präzisen Rechten ausgestatteten Bürgerrechtsamtes, bei dem sich jeder vor allem über polizeiliche Schikane beschweren kann, hätte die CDU noch vor zwei Monaten als Teufelszeug und Misstrauenserklärung an die Polizei diskreditiert. Die in Aussicht gestellte Humanisierung des Strafvollzuges bedeutet die Rücknahme aller Verschärfungen, welche die CDU erst im Dezember mit ihrer Mehrheit durch die Bürgerschaft peitschte. Und der schlichte Satz: „Die Geschlossene Unterbringung Feuerbergstraße wird zügig geschlossen“ ist nichts anderes das umfassende Eingeständnis, mit der eigenen Jugendhilfepolitik gescheitert zu sein.

Nun gut, bei der Inneren Sicherheit im engeren Sinne gibt es schon ein paar Härtefälle. Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum bleibt, Ingewahrsamnahmen im Grundsatz ebenfalls und die Einkesselung von Demos soll die Ausnahme bleiben. Allerdings konnte man von der 43-Prozent-Partei CDU nicht erwarten, dass sie ausgerechnet auf diesem Feld der nicht einmal zehnprozentigen GAL die größten Zugeständnisse macht. Im Vergleich zur real exekutierten Politik á la Schill und Kusch jedoch ist der Fortschritt eklatant.

Dazu gehört auch, dass – außer Straftätern – niemand mehr nach Afghanistan abgeschoben wird. Vor drei Jahren noch hatte Hamburg als erstes Bundesland den Bürgerkrieg am Hindukusch für beendet erklärt und mit Abschiebungen begonnen.

Eingerichtet wird zudem eine Antidiskriminierungsstelle, die interkulturelle Angelegenheiten befördern und Maßnahmen gegen Rassismus und Rechtsextremismus initiieren soll. Integration wird nicht mehr als Problem definiert, sondern als gesellschaftliche Chance, die quer durch alle Politikfelder zu fördern ist. Bei so viel koalitionärer Ausländerfreundlichkeit wundert es kaum noch, dass ein interkulturelles Wohnprojekt für Frauen eingerichtet wird, die von Zwangsheirat bedroht sind.

Selbst in der Verkehrspolitik, die in Hamburg traditionellerweise von der PS-Koalition aus Handelskammer, ADAC und Bild gemacht wurde, gibt es im Vorfeld der Klimakatastrophe ermutigende Signale. Der Anschluss der A 26 auf Hamburger Gebiet war kaum noch zu verhindern, und dass Finkenwerder eine Ortsumgehung braucht, so lange Autofahren nicht verboten ist, kann ebenfalls niemand bestreiten. Dafür gibt es mehr Radwege und eine Umweltzone, den Einstieg in die Stadtbahn und den Bahrenfelder Deckel auf der A 7, Verkehrsberuhigung in der Stresemannstraße, mehr Kreisverkehre und autofreie Wohnsiedlungen sowie pro Bezirk ein Shared-Space-Projekt.

Schwule und lesbische Einrichtungen werden übrigens stärker gefördert, und beim CSD wird auf dem Rathausmarkt die Regenbogenfahne flattern. Das kann ja richtig bunt werden in Hamburg – wenn die schwarze und die grüne Basis akzeptieren, was da auf 65 Seiten geduldigen Papiers geschrieben steht. Und wenn es umgesetzt wird.

Den Koalitionsvertrag gibt es als PDF-Datei auf www.cduhamburg.de und www.hamburg.gruene.de. kommentar SEITE 1 schwerpunkt SEITE 3