Zehn Stockwerke Seefahrt

In einer Woche wird das Internationale Maritime Museum Hamburg eröffnet. Das Konzept, nach dem die Sammlung des ehemaligen Springer-Vorstandes Peter Tamm präsentiert wird, ist unter Politikern auch nach Vorab-Besichtigung umstritten

Das Internationale Maritime Museum Hamburg ist ein Haus der Superlative. Auf insgesamt zehn „Ausstellungdecks“ sollen 25.000 kleine und 900 große Schiffsmodelle, 5.000 Gemälde, 120.000 Bücher und Atlanten sowie 50.000 Konstruktionspläne zu sehen sein. Der Großteil der Bestände stammt aus der privaten Sammlung des ehemaligen Springer-Vorstandes Peter Tamm, dessen Devise „Schifffahrtsgeschichte ist Menschheitsgeschichte“ lautet. Oft kritisiert wurde Tamms Vorliebe für Militaria – so stand lange Zeit im Garten seiner Villa ein Torpedoboot. Einige Tamm-Kritiker aus dem Verein „Ein Feld für Kunst“ wollen vor der Eröffnung des Museums eine Gegenöffentlichkeit mobilisieren und haben etwa Vorträge organisiert, die das Hamburger Museum und die „Deutsche Kriegsausstellung“ von 1916 in Berlin in Beziehung setzen. Am Tag der Eröffnung baut der Verein vor dem Museum einen „Heldenfriedhof“ auf.  TAZ

VON GERNOT KNÖDLER

Wenn Bundespräsident Horst Köhler am kommenden Mittwoch nach Hamburg kommt, wird er auf eine Mahnwache stoßen. Mitglieder des Hamburger Forums für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung werden gegen das Internationale Maritime Museum des ehemaligen Springer-Vorstands Peter Tamm protestieren: Der mit tausenden von Schiffsmodellen und Ausrüstungsgegenständen vollgestopfte Kaispeicher verharmlose den Krieg. Einige Bürgerschaftsabgeordnete konnten sich die Ausstellung vorab ansehen. Die Exponenten der Flügel sind sich zumindest in einem einig: Das Museum ist nicht langweilig.

2004 hatte die Bürgerschaft beschlossen, Tamms einzigartige Sammlung der Stadt zu erhalten. Sie überließ ihm für 99 Jahre einen malerischen alten Speicher nahe der Innenstadt und zahlte 30 Millionen Euro in das Stiftungsvermögen des Museums ein. Im Gegenzug macht Tamm jetzt seine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich.

Das Konzept der Ausstellung und die Tatsache, dass Tamm und sein Team im Wesentlichen selbst bestimmen konnten, wie es aussehen soll, rief von Anfang an Kritiker auf den Plan. Der Informationskreis Rüstungsgeschäfte in Hamburg gab sogar ein kürzlich aktualisiertes Schwarzbuch dazu heraus.

Die Kritiker stören sich am hohen Anteil militärischer Exponate: Vor der Tür stehen zwei Mini-U-Boote aus den letzten Tagen des „Dritten Reiches“ und zwei Geschütze des britischen Admirals Nelson. Drinnen gibt es Modelle von Schlachtschiffen, Uniformen und nicht zuletzt die Admiralsstäbe der Nazi-Admiräle Dönitz und Raeder.

„Das große Problem der Ausstellung liegt darin, dass sie ziemlich durcheinander ist“, sagt Christiane Schneider, Bürgerschaftsabgeordnete der Linken. Immer wieder würden militärische mit zivilen Exponaten vermengt. Auf diese Weise entstehe einerseits der Eindruck, dass das Militärische dominiere. Andererseits würden die militärischen Anteile verharmlost.

„Das Museum ist geprägt von einer Sammelwut und das verbindet sich mit einer bestimmten Ideologie“, findet Schneider. Der Überlebenskampf in einem Orkan werde in eine Reihe gestellt mit dem Seekrieg, wodurch dem Seekrieg ebenfalls der Charakter einer Naturgewalt zugesprochen werde.

Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karl-Heinz Warnholz findet die Vermischung unproblematisch. Der Krieg gehöre zur Seeschifffahrt, „ob man das will oder nicht“. Es sei falsch, vor diesem Teil der Geschichte die Augen zu verschließen. „Hier wird nicht dem Militarismus gefrönt“, findet Warnholz.

Im übrigen zeige das Museum eine Vielzahl nicht militärischer Stücke: vom 3.000 Jahre alten Einbaum aus seiner Heimat Geesthacht, der ihn besonders beeindruckt habe, bis zu „riesigen wundervollen Bildern“ von Meeresbewohnern. Warnholz‘ Fazit: „Das ist eine ganz große Bereicherung der Stadt.“

Auch Schneider räumt ein, „es sind wirklich beeindruckende Exponate dabei“: etwa das Modell der Queen-Mary II aus Lego oder die Knochenschiffe, die vom Hungertod bedrohte Häftlinge hätten schnitzen müssen. „Hätte man eine kritische geschichtliche Aufarbeitung gemacht, hätte das ein großartiges Museum werden können“, findet sie. Allein: Die wenigen Hinweistafeln, die bei ihrem Besuch fertig waren, seien „textlich unter aller Kanone gewesen“.

Lühr Henken vom Forum Völkerverständigung geht weiter: „Wenn diese Großadmiralsstäbe ausgestellt werden, ist es egal, ob da Texte dabei stehen oder nicht“, findet er. Das seien „Ikonen der deutschen Großmacht zur See“ und eines überholten machtpolitischen Denkens, die leicht zu Fetischen Rechtsradikaler werden könnten.