Hochsicherheitsrisiko Sander

Hat Niedersachsens Umweltminister die Atomaufsicht über die mit Cäsium verseuchte Asse nicht ausreichend wahrgenommen? Das behaupten SPD, Grüne und Linke. Ministerium fordert Aufklärung

„Lähmendes Entsetzen“ hat Michael Fuder bei den Anwohnern des Pannen-Atomlagers Asse festgestellt. Weil es mittlerweile „kein Tag ohne Hiobsbotschaft“ gebe, forderte der Grüne aus dem Wolfenbütteler Kreistag erneut den sofortigen Stopp der Pläne, die in der Asse lagernden 126.000 radioaktiv strahlenden Fässer zu fluten und das Bergwerk zu schließen. Damit werde nur versucht, „sämtliche Fehler der Vergangenheit auf immer und ewig zu vertuschen“.

Was ist los im Forschungsbergwerk? Am Dienstag hatte das niedersächsische Umweltministerium verboten, stark mit Cäsium 137 verstrahlte Lauge von 750 auf 975 Meter Tiefe zu pumpen, wie das seit drei Jahren geschieht (taz berichtete). Das Cäsium überschreitet den Grenzwert um das Neunfache, der Asse-Betreiber, das Münchner Helmholtz-Zentrum hatte auch Spuren von Plutonium, Strontium und Radium eingestehen müssen. Offenbar gab es die ersten Cäsium-Funde bereits Anfang der 90er Jahre – alles ohne Wissen des für die Atomaufsicht zuständigen Ministeriums. Noch im April hatte das Helmholtz-Zentrum von „Umweltradioaktivität“ gesprochen.

Sämtliche Arbeiten in der Asse müssten gestoppt und dem Betreiber die Zuständigkeit entzogen werden, forderte am Mittwoch der niedersächsische Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Auch die Glaubwürdigkeit von Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sieht er „grundsätzlich in Frage gestellt“. Die SPD forderte, dem „Hochsicherheitsrisiko“ Sander die Atomaufsicht, die er viel „zu lax“ gehandhabt habe, zu entziehen. Die Linken forderten gar seinen Rücktritt.

Das Sander unterstehende Landesbergbauamt, das auf Grundlage des Bergbaurechts die Verklappung der Cäsium-Lauge der Asse angeblich ohne Wissen des Ministerium erlaubt hatte, habe „völlig unkontrolliert agiert“, sagte Wenzel. Und schloss sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss nicht aus.

Der könnte auch der Frage nachgehen, wie zwölf Fässer mit Cäsium, Neptunium und Uran in die Asse kommen, die dort noch zu Forschungszwecken lagern, obgleich wissenschaftliche Untersuchungen hier seit langem verboten sind.

Sanders Staatssekretär Stefan Birkner forderte indes am Mittwoch in einem Schreiben an das zuständige Bundesforschungsministerium, die Herkunft des Cäsiums „durch Einschaltung geeigneter Experten möglichst lückenlos aufzuklären“. Bislang wird vermutet, dass ein Unfall 1973 die Cäsium-Kontaminierung in der Asse verursacht hat. Aber auch Birkner schließt nicht aus, das die Strahlung von leck geschlagenen Atommüll-Fässern kommt. KAI SCHÖNEBERG

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