Sorgenfrei für 320.000 Jahre

Schacht Konrad sei sicher und „knochentrocken“, versichert der Chef des Bundesamtes für Strahlenschutz bei einer Grubenfahrt. Mit dem Krisenstollen Asse II sei das künftige Atommüll-Endlager „nicht zu vergleichen“

Die niedliche Bezeichnung passt nicht so recht: Die „Teilschnittmaschine“ ist ein gewaltiger Koloss aus Metall, 15 Meter lang, 135 Tonnen schwer. Seine beiden Bohrköpfe machen das stärkste Gestein zu Staub. Rund 850 Meter unter der Erde, im Bergwerk Schacht Konrad, fräst das 1.000-PS-Monster künftige Kammern für den Atommüll auf. „Sechs bis sieben Meter am Tag schafft die am Tag“, sagt Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Sieben Meter breit, sechs Meter hoch und mehrere hundert Meter lang werden die in das Erz getriebenen Hohlräume.

Die Einlagerung soll 2013 beginnen. Bis zu 303.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Atommüll darf das Endlager Konrad laut Genehmigungsbescheid aufnehmen. Die meisten Abfälle stammen aus Atomkraftwerken: kontaminierte Schutzkleidung, Arbeitsmaterial, Teile aus dem Abriss von Meilern. Den Rest kommt aus Kernforschungszentren, Krankenhäusern und Sammelstellen. Aber auch mehrere hundert Kilogramm hoch giftiges Plutonium soll Konrad aufnehmen.

Nach der Einlagerung werden die Kammern mit Spezialbeton fest verschlossen, kündigt König an. Eine spätere Rückholung des Mülls sei damit ausgeschlossen. Radioaktive Stoffe können nach Berechnungen des Bundesamtes frühestens nach 320.000 Jahren an die Erdoberfläche gelangen, der allergrößte Teil der Nuklide sei dann zerfallen. Das Endlager Konrad, versichern König und seine Mitarbeiter, sei nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik sicher.

Aber hatte man das von der Asse nicht auch behauptet? Das havarierte Endlager liegt nur 20 Kilometer entfernt. Die dramatische Situation dort sei mit Schacht Konrad nicht zu vergleichen, sagt König. Dieser sei „knochentrocken“ und nicht so durchlöchert.

Die Bundesregierung hatte Schacht Konrad bereits seit 1975 als mögliche Lagerstätte für radioaktive Abfälle untersuchen lassen. 1982 stellte das BfS beim Land Niedersachsen einen Genehmigungsantrag. Mehr als 300.000 Bürger erhoben dagegen Einwendungen. Zwischenzeitlich schien das Vorhaben vom Tisch, denn die rot-grüne Bundesregierung wollte nur ein einziges Endlager für alle Arten von Atommüll. Der Bund zog den Antrag für Konrad aber nicht zurück, und die Landesregierung unter Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) erteilte 2002 die Genehmigung zur Einlagerung.

Abseits des Bewetterungsschachtes können die Ventilatoren nicht mehr so viel angesaugte Luft verteilen, die Temperatur steigt hier auf bis zu 35 Grad an. In einem von den Scheinwerfern der Grubenfahrzeuge ausgeleuchteten Gang herrscht ohrenbetäubender Lärm, eine ferngesteuerte Maschine spritzt flüssigen Beton an die Decke. Die Arbeiter haben wegen der starken Staubentwicklung Atemmasken angelegt.

Zu tun gibt es für die derzeit rund 130 Beschäftigten genug, seit das Land Anfang des Jahres den so genannten „Hauptbetriebsplan“ zuließ. Neben der Sanierung der Einlagerungskammern und der Förderanlagen stehen über Tage der Bau eines Gleisanschlusses und einer neuen Zufahrtstraße an. Rund zwei Milliarden Euro, schätzt König, werden bis 2013 verbaut sein.

Der Zeitplan sei ehrgeizig, räumt König ein. Und es scheint nicht sicher, dass er eingehalten werden kann: Das Bundesverfassungsgericht muss noch über eine Beschwerde des Landwirts Walter Traube entscheiden, der in Sichtweite des Förderturms seinen Hof hat und seit Jahren juristisch gegen das Endlager zu Felde zieht. Sollte ihm das Gericht Recht geben, droht ein Baustopp. Auch die atomkritische Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad hat weitere Proteste angekündigt. REIMAR PAUL