Verwahrloste Kinder in Bremen entdeckt

Zufällig finden Polizisten zwei Mädchen, die mit ihrer psychisch kranken Mutter in einer nach Fäkalien stinkenden Wohnung leben. Das Jugendamt kannte die Familie seit 2004, ein Sorgerechtsentzug war 2007 gescheitert

„Zwei völlig verwahrloste Kinder“ endeckte die Polizei am Mittwoch in Bremen-Gröpelingen, dem Stadtteil, in dem Kevin vor zwei Jahren von seinem Ziehvater tot geprügelt worden war. Die ältere der beiden, ein achtjähriges Mädchen, sei Beamten zufällig aufgefallen, sagte Polizeisprecher Dirk Siemering am Donnerstag. Sie sei sehr dünn gewesen und habe ein „stark verschmutztes Gesicht“ sowie verfilzte Haare gehabt, die Kleidung sei „verdreckt“ gewesen und habe nach Schimmelpilz gerochen.

In der Wohnung, die laut Siemering einen „völlig desolaten und unbewohnbaren Eindruck gemacht“ habe, fanden die Beamten ein weiteres Kind, ein fünfjähriges Mädchen, sowie die „apathisch wirkende 43-jährige Mutter“, die offenbar psychisch krank ist und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Außerdem befanden sich laut Polizei ein Hund, zwei Katzen und ein Kaninchen in den Räumen, die Tiere hätten „überall Kot und Urin“ hinterlassen, hinzu kamen verschimmelte Essensreste, Müll und stark verschmutztes Geschirr. Während sich die Polizei in der Wohnung aufhielt, sei der Vater der Kinder aufgetaucht und musste vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen werden, weil er sich so aufregte. Der Polizei sagte der 53-Jährige, er sei zwei Wochen nicht in der Wohnung gewesen.

Sowohl Polizei als auch das Bremer Jugendamt kannten die Familie. Im Juni 2004 habe es erstmals Kontakt zu der Familie gegeben, sagte ein Sprecher der Sozialbehörde, Anlass sei eine Polizeimeldung über eine Kindeswohlgefährdung gewesen. In den Jahren danach habe es immer wieder Hilfsangebote gegeben, die größtenteils abgelehnt worden seien. Außerdem sei es der Mutter zwischendurch immer mal wieder besser gegangen, „es war ein Auf und Ab, zwischendurch war es auch eine Zeit lang ruhig“, so der Sprecher. Untätig sei das Jugendamt nicht gewesen, im Sommer 2007 habe man versucht, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen, sei aber vor dem Familiengericht gescheitert. Im Dezember habe es eine erneute Polizeimeldung über eine Gefährdung des Kindeswohls gegeben. Wann das letzte Mal jemand die Wohnung aufgesucht hatte, konnte der Sprecher nicht sagen. Einen Kontakt habe es zuletzt im Februar gegeben.

Immer wieder an das Jugendamt und die Polizei gewandt hatte sich nach Angaben einer Sprecherin der Bildungsbehörde die Leiterin der Schule, die die Achtjährige besuchte. Das Kind sei aber nur äußerlich verwahrlost gewesen und sozial integriert, so die Sprecherin.

Die beiden Kinder wurden in ein Kinderheim gebracht, wann und von wem konnte der Sprecher der Sozialbehörde nicht sagen. Ungewöhnlich war auch, dass es offenbar einen Tag dauerte, bis die Zuständigen vom zentralen Kinder-Notdienst im Amt für Soziale Dienste von dem Fall erfuhren. EIKEN BRUHN