„Gender Mainstreaming reicht nicht“

An der Uni Hamburg hat der Asta das autonome Frauenreferat abgeschafft und durch eine Gleichstellungsbeauftragte ersetzt. Die Vorsitzende des Landesfrauenrats, Christa Randzio-Platz, hält das für den falschen Weg: Frauenförderung sei unverzichtbar

CHRISTA RANDZIO-PLATH (SPD), 67, Vorsitzende des Landesfrauenrats, Anwältin und Uni-Dozentin, bis 2004 im EU-Parlament

INTERVIEW KAIJA KUTTER

taz: Was stört den Landesfrauenrat an der Abschaffung des Asta-Frauenreferats an der Hamburger Uni, Frau Randzio-Plath?

Christa Randzio-Plath: Uns stört die Einschränkung der Interessenvertretung von Frauen. Die Abschaffung dieser kleinen Institution hat einen symbolischen Wert. Es ist vergleichbar mit der Abschaffung von Frauen- und Gleichstellungs-Ausschüssen in Parlamenten oder der Abschaffung des „Senatsamtes für die Gleichstellung“ in Hamburg vor einigen Jahren.

Wie erklären Sie diesen Trend?

Es heißt, dass die Frauen es ja geschafft haben. Dass sie nicht mehr benachteiligt sind. Sie sind bei den Bildungsabschlüssen mittlerweile besser dran als die Jungen. Sie stellen an der Universität Hamburg mehr als die Hälfte der Studierenden. Dabei wird vergessen, dass es immer noch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gibt. In allen Gegenden der Welt und auch in der BRD ist dies gelebte Realität.

Zum Beispiel?

Es zeigt sich daran, dass Ausbildungsberufe, die Frauen wählen, schlechter bezahlt werden. Und der Abstand zwischen Männer- und Frauenlöhnen ist mit 22 Prozent bei uns größer als der EU-Durchschnitt von 15 Prozent. Insofern ist es wichtig, die Diskriminierung zu benennen und zu bekämpfen. Simone de Beauvoir, deren hundertsten Geburtstag wir in diesem Jahr gefeiert haben, hat gesagt, man könne sich von einer Klasse lösen, aber nicht von seinem Geschlecht.

Aber es gibt ja statt des Frauenreferats jetzt eine Asta-Gleichstellungsbeauftragte.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist ja auch eine gute Sache. Aber die Diskriminierung zu bekämpfen, wie es Artikel 3 des Grundgesetzes verlangt, ist etwas anderes. Man darf das nicht vermischen. Es war die Weltfrauenkonferenz von Peking, die im Jahr 1999 das Prinzip des Gender Mainstreaming beschlossen hat. Ich war damals dabei. Wir haben gesagt: Frauenförderung allein reicht nicht, wir brauchen zusätzlich Gender Mainstreaming zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter. Alle Maßnahmen müssen daran gemessen werden, wie sie sich auf Frauen und Männer auswirken. Heute muss man sagen, Gender Mainstreaming reicht nicht. Wir brauchen zusätzlich Frauenförderung. Wir müssen, um die Gleichstellung von Mann und Frau zu erreichen, zeitlich befristet auch aktiv auf positive Diskriminierung setzen.

Was bedeutet das praktisch?

Zum Beispiel, indem wir bei gleicher Qualifikation die Frauen bevorzugen.

Brauchen Frauen an der Universität weiterhin einen Raum nur für sich?

Ja. Sie brauchen spezifische Angebote. Das heutige Career-Center an der Universität Hamburg war ja ursprünglich ein Frauen-Career-Center. Heute ist es für beide Geschlechter da, wogegen ich nichts habe. Aber es bedarf einer spezifischen Ansprache von Frauen. Sie haben in Bewerbungssituationen andere Schwierigkeiten, das ist bekannt. Ein anderes Thema sind studierende Mütter. Es gibt sehr viele allein Erziehende, die Unterstützung brauchen.

Das Uni-Asta wird von den Jusos geleitet, Sie sind SPD-Mitglied. Gibt es zu diesem Thema parteiinterne Diskussionen?

Seit 1977 gab es an der Uni-Hamburg ein teilautonomes Frauenreferat. Hier hatten Studentinnen ein Raum nur für sich und einen Etat für Beratungsarbeit und politische Projekte. Die Referentinnen wurden bei der jährlichen Frauen-VV gewählt. Der von Jusos geleitete Asta löste diese Strukturen jetzt auf und stellte stattdessen eine Gleichstellungsbeauftragte ein. Dem vorangegangen war ein Konflikt um die Wahl der Referentinnen im April (taz berichtete). Die ehemaligen Frauenreferentinnen werfen auf der Internetseite www.genderblog de dem von Männern geleiteten Asta eine „bevormundende Politik“ vor. In einer Petition fordern sie die Rücknahme der Abschaffung. In dem Blog erhält der Asta aber auch Beifall von Männern. „Wenn die Weiber unbedingt unter sich sein wollen und jeden, der nicht das korrekte Geschlecht hat, ausgrenzen, dann bitte nicht mit meinem Steuergeld!“, schreibt ein Student. Und ein anderer: „Endlich mal wieder was Positives bei diesem ganzen negativen Getue feministischer BenachteiligungstheoretikerInnen. Die Schließung des Frauenreferates war ja schon lange überfällig. Das hätte bereits vor über 30 Jahren erfolgen müssen.“  KAJ

Nein. Ich bin im Bereich der Frauenpolitik und Frauenprojekte engagiert. Im Landesfrauenrat vernetzen sich Frauen aus verschiedensten Parteien und Gruppierungen, um als Lobby für Frauen Fortschritte in der Gleichstellung in Hamburg zu bewegen.

Aber Sie reden mit dem Asta?

Ja. Ich habe vom Asta eine Mail bekommen und zwar von der Gleichstellungsbeauftragten. Wir werden ein Gespräch führen. Es gibt da einen wichtigen Punkt: Die Frauen konnten bisher auf der Frauen-Vollversammlung selbst bestimmen, wer ihre Vertretung übernimmt. Das ist ihnen jetzt aus den Hand genommen, weil der Asta die Referentin benennt.

Der Asta-Vorsitzende sagt, das Anliegen der Frauen würde durch eine Integration in den Kern-Asta nicht ab-, sondern aufgewertet.

Das ist eine Argumentation, die ich wenig überzeugend finde. Sie hat für mich Alibi-Charakter. Ich war selbst mal im Asta. Ich gebe zu, das ist lange her, aber ich habe nicht in Erinnerung, dass die Frauenfrage dort ein zentrales Thema war.