Linken-Politiker legt Wikipedia lahm

Der Lübecker Bundestagsabgeordnete Lutz Heilmann, hat die deutsche Wikipedia-Seite wikipedia.de sperren lassen. Einige der dort über ihn zu lesenden Passagen hatten ihm nicht gefallen. Eins ist dem Linken damit sicher: Publicity

Auf seiner Homepage hat Lutz Heilmann den Rechtsstreit inzwichen für beendet erklärt (Stand gestern, 17 Uhr): „Nachdem die falschen, ehrabschneidenden und deshalb mein Persönlichkeitsrecht verletzenden Inhalte weitgehend aus dem entsprechenden Artikel entfernt wurden, habe ich gegenüber dem Wikimedia e. V. erklärt, dass ich keine weiteren juristischen Schritte unternehmen werde“, steht da. Heilmann bedauere „außerordentlich, dass die deutschen Wikipedia-Userinnen und -User in den letzten 24 Stunden keinen direkten Zugriff mehr auf die Wikipedia-Inhalte hatten.“ Bis gestern um 17.30 Uhr war wikipedia.de allerdings immer noch gesperrt. TAZ

VON ESTHER GEISSLINGER

Von Raju Sharma redet niemand mehr. Dabei wird der Linken-Politiker aus Kiel heute Vormittag als Spitzenkandidat für die Wahl des Kieler Oberbürgermeisters vorgestellt. „Raju Sharma verfügt zweifelsfrei über alle Qualifikationen und Qualitäten, die von einem OB erwartet werden können“, teilt die Linke mit. Der Sohn eines Inders sei Jurist und stehe „seit 1990 in Diensten des Landes Schleswig-Holstein“.

Doch die lokale Personalie wird überschattet von Medienberichten und Debatten um den schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten der Linken, Lutz Heilmann: Der 42-Jährige, der aus Zittau in Sachsen stammt und heute in Lübeck lebt, klagt gegen den deutschen Verein Wikimedia e. V. wegen der dortigen Einträge über ihn – mit der Folge, dass die deutsche Seite der Internet-Enzyklopädie Wikipedia bis Redaktionsschluss gesperrt war.

Heilmann ist seit langem umstritten, auch in der eigenen Partei. Ein Auslöser dafür war die Vergangenheit des Juristen: Heilmann hatte in der DDR als Personenschützer gearbeitet und war damit Stasi-Angestellter. Seine Kritiker störte, dass er das vor der Wahl nicht gesagt hatte – und dass er, als der Fall bekannt wurde, lange mit einer Entschuldigung zögerte. Der Streit um den richtigen Umgang mit dem damals bereits im Bundestag sitzenden Politiker erschwerte die Fusion von WASG und Linkspartei in Schleswig-Holstein. Eine Zeit lang hatte nicht zuletzt wegen Heilmann sogar Funkstille zwischen beiden Parteien geherrscht.

Bis heute belasten persönliche Unstimmigkeiten, die immer wieder öffentlich ausgetragen werden, die Arbeit der schleswig-holsteinischen Linken. Unter anderem haben sich Heilmann und der Vorsitzenden der Lübecker Linken, Ragnar Lüttke, überworfen. Heilmann ist daher nicht in Lübeck, sondern in Neumünster politisch aktiv. Kurz vor dem jüngsten Landesparteitag der Linken hatte er in einer Pressekonferenz Vorwürfe gegenüber amtierenden Vorstandsmitgliedern erhoben. Die Delegierten verpassten ihm daraufhin einen Denkzettel: Auf dem Parteitag fielen Kandidaten durch, denen Heilmann sein Vertrauen ausgesprochen hatte.

Zuletzt war der Abgeordnete vor einem Monat in die Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass sein damaliger Freund von Heilmanns Privathaus in Lübeck aus einen Internet-Sexshop betrieb. Der Abgeordnete trat im Impressum der Seite als Jugendschutzbeauftragter auf. Heilmann fand das nicht anrüchig, er betonte auch gegenüber der taz, dass er kein Geld mit dem Vertrieb von Kondomen und Sexspielzeug verdient habe. Der Betreiber der Seite, Marcel M., ist inzwischen ausgezogen, der Sexshop besteht nicht mehr – aber die Internetseite existierte noch Monate später. Dagegen wehrte sich Heilmann juristisch. Außerdem soll es zu einem Streit mit Marcel M. gekommen sein, von versuchter Nötigung war die Rede.

Die Bild-Zeitung hatte daraufhin verbreitet, Heilmanns Immunität als Abgeordneter sei aufgehoben worden. Das sei eine falsche Tatsachenbehauptung, sagte Heilmann damals gegenüber der taz: „Meine Immunität wurde nicht aufgehoben. Der Ausschuss hat getagt und kam zu dem Schluss, dass der betreffende Fall mit der Frage der Abgeordneten-Immunität nichts zu tun hat.“

Was an dem Wikipedia-Artikel Heilmann störte – ob es die Passage war, in der es um den Internet-Sexshop und Heilmanns Klage gegen die Bild-Zeitung ging, oder jene Stelle, die seine Zeit als Personenschützer bei der Stasi behandelt, ist nicht ganz klar. Die Sexshop-Geschichte ist jedenfalls aus Wikipedia verschwunden, nicht jedoch die Stasi-Episode, wie ein Blick auf wikipedia.org zeigt – der dortige Eintrag über Heilmann war die ganze Zeit einsehbar. Gesperrt war lediglich die korrespondierende Seite wikipedia.de.

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