„Ich will auch auf die Jägerliste“

Nachdem eine „Schwarze Liste“ von niedersächsischen Jägern bekannte Gegner der Gänsejagd und andere Naturschützer aufführte, erhalten die Betroffenen breite Unterstützung. Die Jäger selbst verstehen den Aufruhr nicht

Den niedersächsischen Jägern geht das Pulver aus. „Wenn ich das gewusst hätte“, sagt Claas Janssen und stöhnt, „die Liste wäre nie veröffentlicht worden.“ Am vergangenen Donnerstag hatte die taz nord über den internen Rundbrief berichtet, in dem der Chef der Auricher Jäger namentlich vor Naturschützern und Gänsejagd-Gegnern warnt und den „Jagdfreunden“ auch noch „Waidmannsheil“ wünscht.

Seitdem verging kein Tag, an dem auf der Liste Erwähnte in den lokalen Zeitungen, im Rundfunk und im Fernsehen nicht gegen ihre Auflistung protestierten. Im Internet kursiert bereits eine Solidaritätsliste: „Ich will auch auf die Jägerliste“, fordern bundesweit Naturschützer.

Was früher in Ostfriesland lebensnotwendig für alle Bauern war, ist heute zu einem Freizeitvergnügen verkommen – mit erheblichem Kapitalzugewinn für diverse Dorffürsten. „Wir haben Listen von Leuten, die eine Gans wollen, die arbeiten wir ab“, wirbt zur Weihnachtszeit Janssen selbst. Dazu gibt es dem Niedersächsischem Jagdverband zufolge eine Art Gänsejagdtourismus – und da sei die Artenkenntnis nicht immer sichergestellt.

Wie wenig manche Jäger Katz von Maus unterscheiden können, stellte zum Schrecken einer Emderin kürzlich ein „Edler im grünen Rock“ unter Beweis: Er gab ihrer Katze den Fangschuss.

Ostfriesische Jäger waren bei der Ausübung ihres Handwerks noch nie zimperlich, und die Dokumentation ihrer Verfehlungen ist alt und lang. Vielleicht erklärt sich daraus ihr Hass gegen die „so genannten Naturschützer“: Jäger wurden erwischt, als sie verbotenerweise ohne Hunde auf die Gänsejagd gingen. Verletzte Tiere verluderten im Flutsaum der Ems und des Dollart. Abschüsse von geschützten Tieren wurden schon früher vor Gericht gebracht.

„In Emden wies ich dem Jägergesindel nach, dass Pfeifenten und Krickenten direkt an einen ostfriesischen Geflügelhändler verkauft wurden“, erbost sich Eilert Voß aus Widdelswehr. „Mit Federn lagen sie in der Vorweihnachtszeit auf den Verkaufstresen. Nach meiner Enthüllung gab es nur noch gerupfte Tiere zu kaufen.“ Voß ist profilierter Kenner der regionalen Vogelwelt. „Es gibt hier in der Emsmündung seit Jahren eine Kolonie von Blässgans-Invaliden, die mit ihren zerschossenen Flügeln nicht mehr in ihre Heimat zurückfliegen können“, sagt er.

Haben die Jäger Angst, nach der Neuregelung des Niedersächsischen Jagdgesetzes wieder beim Erlegen geschützter Tiere erwischt zu werden? „Der Abschuss einer geschützten Gans“, sagt ein Jäger, „ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto.“ Der Mann sollte sein aktuelles Fachblatt genau lesen: Darin werden Gänse auf einem Foto als Blässgänse ausgewiesen – die dürfen geschossen werden. Tatsächlich sind dort aber Zwerggänse zu sehen, und die sind strengstens geschützt.

Für Claas Janssen sind Fehlschüsse nur ein Kavaliersdelikt. „Es gehört sich nicht für einen Privatmann an der Straße zu stehen und in einer verkehrsberuhigten Zonen zu kontrollieren ob alle Autofahrer 30 fahren“, sagt er der taz. Das sei „eine Stasimethode“. THOMAS SCHUMACHER