Grüner Senator ist für „autonome Justiz“

Geht es nach Hamburgs neuem Justizsenator Till Steffen, könnten Richter mehr Selbstverwaltung erhalten – was seine Ressortkollegen traditionell eher abgelehnt haben. Ob das den Richtern viel bringt, sieht der Grüne eher skeptisch

Hamburg will „Vorreiter bei der Selbstverwaltung der Justiz“ werden. Das kündigte der neue Justizsenator Till Steffen (Grün-Alternative Liste) am Dienstag bei einer Veranstaltung des Hamburgischen Richtervereins an. Im Laufe der Legislaturperiode soll das Modell einer „autonomen Justiz“ entwickelt werden. Steffen greift damit eine Debatte auf, die aus der Richterschaft kommt: Der Deutsche Richterbund fordert seit 2007 die „Selbstverwaltung der Justiz“.

Schon heute ist jedes Gericht bei der konkreten Entscheidung von Fällen unabhängig und nur an das Gesetz gebunden. Weder Behörden noch das Parlament noch übergeordnete Richter können den jeweils zuständigen Richtern Weisungen geben. Die Justiz hätte aber gern auch mehr Einfluss auf die Ernennung und Beförderung der Richter sowie auf die finanzielle Ausstattung der Gerichte. Die Landesjustizministerien sind davon naturgemäß wenig begeistert.

Insofern war es schon bemerkenswert, dass der schwarz-grüne Koalitionsvertrag ankündigte, die „Selbstverwaltung der Justiz“ werde „ergebnisoffen“ diskutiert. Und Till Steffen eröffnete diese Diskussion gleich mit der Feststellung, dass Hamburg als Stadtstaat, in dem sich alle kennen, für eine Vorreiterrolle besonders geeignet sei.

„Ohne Schranken im Kopf“ will Steffen nun über das von Richterseite aufgestellte Modell diskutieren, bei dem die Justiz ihren Finanzbedarf selbst feststellt und mit dem Finanzsenator verhandelt. Im Streitfall würde das Parlament – in Hamburg also die Bürgerschaft – entscheiden. Die Richter wollen ihre materiellen Forderungen selbst gegenüber Politik und Öffentlichkeit vertreten.

Steffen ist nun zwar bereit über eine weitgehende Beschränkung seines Einflusses zu reden. Er findet aber die Hoffnung „naiv“, es könne bald deutlich mehr Geld für die Justiz geben: So gibt er den Richtern zu bedenken, dass ein in der Politik verankertes Kabinettsmitglied vielleicht doch mehr Durchschlagskraft haben könnte als eine selbst verwaltete Richterschaft. Außerdem könne das Ansehen der Justiz leiden, wenn sie mehr Richterstellen durchsetzt und deshalb zugleich die Zahl der Lehrer oder Polizisten sinkt.

Immerhin sagte Steffen zu, dass die Hamburger Gerichte über die jeweils verfügbaren Mittel „selbständig“ bestimmen dürfen: „Die Erfahrung lehrt, dass die Verwendung der Mittel effektiver erfolgt, wenn die direkt Betroffenen autonom über die Verwendung entscheiden.“ Die Rationalisierungsgewinne sollten auch in der Justiz bleiben. An diesem Punkt war der Hamburger Apparat allerdings schon bisher recht fortschrittlich: weitgehende Budgethoheit der Gerichte hatte schon in den 90er Jahren der parteilose Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem eingeführt.

Wenig Änderungsbedarf sieht Steffen auch bei der Richterwahl. Hier können Hamburgs Richter schon heute in einem Wahlausschuss mitwirken, bei dem allerdings Abgeordnete und Beamte die Mehrheit stellen.

Substanziell versprochen hat Steffen also wenig, wohl auch aus Rücksicht auf den Koalitionspartner CDU, der sich bisher zur Selbstverwaltung der Justiz noch nicht positioniert hat. Doch auf Richterseite gilt es wohl schon als Signal, dass Steffen bereit ist, im Dialog mit den Richtern ein Modell für mehr Autonomie zu entwickeln. CHRISTIAN RATH