taz-Serie zu steigenden Energiepreisen: Nahverkehr auf zwei Rädern

taz-Serie zu steigenden Energiepreisen (IV): Die Stadtverwaltung von Barcelona bietet günstig Fahrräder zum Mieten an. Täglich nutzen 50.000 Menschen diese Möglichkeit.

Sommer, Sonne, Radfahren. Bild: dpa

BARCELONA/BERLIN Die Einwohner der katalanischen Küstenstadt Barcelona haben seit Anfang 2007 ein neues Lieblingsfortbewegungsmittel. Entgegen der spanischen Gewohnheit hat es zwei statt vier Räder und verbraucht weder Benzin noch Diesel. "Bicing" heißt der Service. Dabei können sich die Barcelonesen an Stationen überall in der Stadt die kleinen rot-weißen Fahrräder mit hohem Lenker ausleihen, die mittlerweile zu Tausenden durch die Stadt kurven.

Energiepreise steigen stetig, Rohstoffe sind teuer wie noch nie. Was Appelle von Umweltschützern nicht vermochten, schafft der Preisdruck: Ein sparsamer Umgang mit Ressourcen wird Pflicht. Damit rücken Technologien in den Mittelpunkt, die lange als unmodern oder wenig praktikabel galten. Die taz hat ihre Auslandskorrespondenten gebeten aufzuschreiben, wie die hohen Preise den Alltag der Menschen verändern und mit welchen Strategien sie das "Leben auf Reserve" meistern.

Das Leben wird weltweit teurer. Wie gehen die Amerikaner, die Ghanaer, die Türken mit den steigenden Energiekosten um. Die taz hat ihre Auslandskorrespondenten gebeten aufzuschreiben, wie die hohen Preise den Alltag rund um den Globus verändern. Herausgekommen sind überraschende Geschichten. Etwa diese: Bundesweit ist darüber berichtet worden, dass anatolische Bauern sich statt auf den Traktor derzeit wieder auf den Esel setzen. Er tat es nur einmal - für die Medien. Die Geschichte hat sich gut verkauft. Lesen Sie in den nächsten Wochen darüber, was sich wirklich ändert - in der taz-Serie "Leben auf Reserve".

Das Prinzip ist simpel: Online registrieren, einen Jahresbeitrag von derzeit 24 Euro zahlen, Rad aus der Station nehmen, los fahren. Die erste halbe Stunde ist immer kostenlos. Simpel soll es auch sein, meint Mayea Nieto von der Abteilung Mobilität in der Stadtverwaltung von Barcelona. Denn die Stadt versteht die Fahrräder nicht nur als Fahrräder, sondern als Teil des Öffentlichen Nahverkehrs.

Und die Einwohner lieben ihre neuen Räder: Im ersten Jahr nutzten über 100.000 Menschen die Fahrräder für insgesamt über drei Millionen Fahrten. Mittlerweile leihen sich um die 50.000 Menschen täglich ein Fahrrad aus. "Ich habe zwar ein eigenes Rad, trotzdem nutze ich die Stationen, zum Beispiel wenn ich nur in eine Richtung fahren will", sagt die Studentin Nuria Martín, die in der Nähe von Barcelona zu Hause ist.

Die Stadt lässt sich den Service etwas kosten. 2,2 Millionen Euro gibt sie jährlich für ihr neuestes öffentliches Verkehrsmittel aus. Ein großer Teil kommt aus dem Topf der Área Verde, die sich sonst beispielsweise um die Parkraumbewirtschaftung kümmert. Die Organisation und Logistik rund um die Fahrräder übernimmt aber ein privates Unternehmen: Clear Channel schaffte es, bei der Ausschreibung unter anderem an seinem Konkurrenten JCDeceaux vorbei zu ziehen, der schon Erfahrung mit öffentlichen Fahrradverleihen hat - zum Beispiel in Paris.

Dabei hat sich die Stadt durchaus ein Beispiel an anderen Leihsystemen genommen. Die Stadtverwaltung machte im Vorfeld Ausflüge unter anderem ins französische Lyon, um sich von den dortigen Verleihen inspirieren zu lassen. Auch der Fahrradverleih im norwegischen Oslo stand Pate. Doch am Ende sollte ein Angebot stehen, das "typisch für Barcelona" ist, so Nieto. Leicht bedienbar, einstellbar für Kinder und Erwachsene und mit nicht einmal 17 Kilogramm verhältnismäßig leicht - das wünschte sich die Stadt. Dazu kamen noch ein Dynamo, rutschfeste Pedale, Hand- und Rücktrittbremsen sowie eine Gangschaltung. Gegen Diebstahl sind die Räder mit einem simplen Trick geschützt: Sämtliche Teile, die abschraub-oder abnehmbar wären, sind nicht mit anderen Fahrradmodellen kompatibel. So bleiben die Reparaturkosten niedrig.

Auch, wenn die Betreiber offiziell keine Auswirkungen des gestiegenen Ölpreises spüren - die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Lag die Zahl der Fahrräder im ersten Jahr noch bei 3.000, wurde sie mittlerweile innerhalb eine halben Jahres verdoppelt. Ermutigt davon, dass die Einwohner den Service so gut annehmen, will die Stadtverwaltung auch den Rest des öffentlichen Nahverkehrs stärken: Das bisher kaum vorhandene Straßenbahnnetz will sie ausbauen, und die Busse tanken in Zukunft Gas statt Benzin.

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