taz-Spezial zu 50 Jahre „68“ am 9. Mai: Keine Revolution ohne die Provinz!

Das zweite taz-Spezial zu 50 Jahre 1968 besucht Frankreich und zeigt dabei, der Protest startete weit ab von Paris.

Paris, Mai 1968, die Studierenden, die Polizei und das Tränengas Bild: ap

von BELINDA GRASNICK

Sie nahmen alles, was sie finden konnten, um die Straßen zu versperren. Steine aus dem Gehweg, Gitter von Baustellen – und sogar etliche Autos. Vom 10. auf den 11. Mai 1968 trug sich in Paris die „Nacht der Barrikaden“ zu. Student*innen protestierten im Quartier Latin, wo die renommierte Pariser Universität Sorbonne liegt, gegen Versammlungsverbote und gegen die Kriminalisierung der Demonstrierenden. Die linken Aktivist*innen erhielten Unterstützung von den Anwohner*innen im Studentenviertel. Sie gaben ihnen Wasser gegen das Tränengas und warfen zum Teil sogar Gegenstände aus den Fenstern, um Polizist*innen zurückzudrängen.

Auch wenn Gewerkschaften, Arbeiter*innen und Student*innen heute wieder auf die Straße gehen: Der Kontrast ist so stark, dass man sich auf eine archäologische Spurensuche begeben muss, um die Ereignisse von damals nachvollziehen zu können.

Genau das macht die taz am 9. Mai. Gemeinsam mit Menschen, die 1968 selbst in Frankreich auf die Straße gingen, erzählen wir die Geschichte nach – und reflektieren darüber, was das für die Französ*innen heute bedeutet.

Das Reaktionäre damals und heute

Nach der ersten Ausgabe zum globalen Protest ´68 im April blicken wir nun also nach Frankreich. Zuerst in die Pariser Satellitenstadt Nanterre, wo der französische 68er-Protest eine seiner Initialzündungen hatte und wo es auch heute wieder Widerstand gegen die aktuelle Regierung gibt. Zusammen mit unserem Frankreich-Korrespondenten Rudolf Balmer, hat dort die taz-Autorin Louisa Braun recherchiert. Sie studiert im Moment selbst in Nanterre. Der ehemalige Chefredakteur unserer französischen Partnerzeitung Libération, Jean-Marcel Bouguereau, erzählt aus seinen Erinnerungen an die Nacht des 10. Mai in Paris. Auch die damals 24-jährige Françoise Bonnot-Jörgens erinnert sich.

Die französischen Schriftstellerinnen Catherine Millet und Annie Ernaux denken darüber nach, was 1968 für sie bedeutet, und die Historikerin Ludivine Bantigny ordnet die 68er-Bewegung in Frankreich für uns ein. Die Deutschlandkorrespondentin der Libération, Johanna Luyssen, empört sich über die aktuellen französischen Reaktionäre – und die Machos von 68.

Sabine Seifert schreibt eine Reportage aus Nantes, wo es die erste Besetzung eines Unirektorats und die erste Fabrikbesetzung des Jahres 1968 gab. Denn: Die französische 68er-Bewegung begann in der Provinz. Auf einer Zeitleiste werden wir außerdem abbilden, wie der Protest in Frankreich im Mai und Juni 1968 ablief – vom Studierendenprotest bis hin zum Generalstreik.

Ende des Prager Frühlings und Fritz Bauer

Die zweite Sonderausgabe zum globalen 68er-Protest konzentriert sich auf Frankreich. In den kommenden Monaten werden wir auch noch einmal in andere Länder reisen. Wir blicken auf die USA, wo Tausende gegen den Vietnamkrieg protestierten.

Zum Todestag von Fritz Bauer am 1. Juli betrachten wir die vielen Bemühungen zum Wandel der Gesellschaft, die es auch vor 1968 schon in Deutschland und weltweit gab.

Im August geht es in die Tschechoslowakei, wo der Prager Frühling mit seiner Forderung nach einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ letztlich militärisch zerschlagen wurde. Und im September widmen wir uns der Frauenbewegung. Bleiben Sie bei unserer Reise in die Vergangenheit dabei.

• Alle bisher erschienenden Texte sowie weitere Extras finden Sie hier:  taz.de/1968.

• 50 Jahre 1968, Sonderausgabe Nr. 2: Frankreich – am 9. Mai 2018 am Kiosk.