„taz vorgelesen“ beendet Auf Wiederhören!

Aus der taz | Selbst nach fast vier Jahren erstaunen mich die Zahlen immer wieder. Unser Projekt „taz vorgelesen“ endet nun – und ich als Promoter dieser Initiative wollte das Archiv der vorgelesenen taz-Texte auf Stand bringen. Resümee: Tausende Dateien.

Mein Rechner braucht inzwischen mehrere Stunden, um die rund 60 Gigabyte Vorlesematerial herunterzuladen. Würde ich sie abspielen, um sie noch einmal komplett durchzuhören, würde das fast 50 Tage dauern. Mehr als 1.100 Stunden hat eine Gruppe von taz-LeserInnen in den vergangenen Jahren eingesprochen.

Sie sind die Stimmen von „taz vorgelesen“ – einem Community-Projekt der taz, das wir zum 31. März beendet haben. Im März 2020, nicht einmal zwei Wochen nach Beginn der Coronaeinschränkungen, erreichte uns die Nachricht eines Lesers: Im Altersheim seines Vaters gebe es eine drastische Besuchssperre. Dieser sei politisch und wissenschaftlich interessiert, lese aber kaum noch. Deshalb wolle der taz-Leser, sein Sohn, ihm gern Artikel vorlesen und per Sprachnachricht zuschicken. Ob in der taz Interesse bestünde?

Aus dieser Idee entstand erst ein Telegram-Kanal und dann ein Podcast mit dem schlichten Namen „taz vorgelesen“. Schon zu Beginn gab es ein gutes Dutzend Vorleser*innen, zu Hochzeiten waren es mal mehr als 20, noch heute sind manche Stimmen zu hören, die schon im Frühjahr 2020 dabei waren. Mittlerweile sind fast 7.000 Texte vorgelesen worden, mehr als 700 davon sind als Pod­cast-Folgen erschienen. Tausende Menschen haben im Telegram-Kanal und im Podcast mehrmals die Woche den Stimmen gelauscht.

Engagierter Austausch unter den Vorleser*innen

Das Vorlesen hat viele unterschiedliche Menschen zusammengebracht. Manche lieben das Vorlesen an sich, manchen ist es wichtig, dass der Zugang zu Informationen erleichtert wird, andere sahen darin ein spannendes Digitalisierungsprojekt. Als die Vor­le­se­r*in­nen mal die taz-Redaktionskonferenz besuchten, stellte ich sie als „taz Ultras“ vor, denn viele sind schon seit vielen Jahren Le­se­r*in­nen oder Ge­nos­s*in­nen des taz Verlags.

Entsprechend engagiert sind auch die Diskussionen untereinander: Wie spricht man Namen unterschiedlicher Sprachen aus? Darf ein Text von den Vor­le­se­r*in­nen gegendert werden? Dürfen Grammatikfehler korrigiert werden, Sätze umgestellt werden? Darf man das Vorgelesene auch kurz kommentieren? Was sind das eigentlich für Vögelchen, die im Hintergrund zwitschern?

So mancher Austausch dürfte taz­le­r*in­nen vertraut sein: Wie richtig gegendert wird, ist seit Jahren Gegenstand von Diskussionen, und jahrelang, gerade in den Anfangsjahren, kommentierten die Säz­ze­r*in­nen die Texte der Redakteur*innen.

Zusammen entwickelten die Vor­le­se­r*in­nen auch eigene Formate, vor allem Kollaborationen, bei denen mehrere gemeinsam Texte vorlasen. Als Gespräch aufgenommene Interviews etwa. Oder Textsammlungen mit bis zu einem Dutzend Stimmen. Im regen internen Chat wurden Tipps zu Aufnahme und Audiobearbeitung ausgetauscht, Persönliches wurden geteilt und Urlaubsfotos wurden versendet. Einer hat inzwischen einen eigenen Podcast, in dem er Romane vorliest.