taz.lab 2017 – Die drei Fragen (VII): Fremdsein im eigenen Land?

Amna Franzke und Samba Gueye wollen am taz.lab am 29. April über Rassismus sprechen. Wir stellen die taz-Redakteure im Interview vor.

Bild: Laila Oudray

taz: Können nur Menschen, die von Rassismus betroffen sind, darüber sprechen?

Amna Franzke: Nein, das wollen sie auch nicht immer. Aber in der Debatte fehlt es an Sensibilität. Deswegen ist es wichtig, die betroffenen Menschen zum Sprechen zu bringen und ihnen zuzuhören. Diese Stimmen müssen gestärkt werden.

Samba Gueye: Ich will mich nicht als reines Opfer sehen, aber ich habe mehr rassistische Erfahrungen gemacht als viele andere. Das zwingt mich zu reflektieren.

Was verstehen jene nicht, die nicht von Rassismus betroffen sind?

Anma Franzke, Jahrgang 1993, ist Redakteurin bei tazzwei und Samba Gueye, Jahrgang 1996, ist Redakteur bei taz.meinland.

Gueye: Dieses Fremdsein im eigenen Land, das ist schwer nachzuvollziehen, wenn man das nicht erlebt hat. Menschen, die hier aufgewachsen sind und optisch nicht aus dem Muster fallen, bekommen von außen die Bestätigung: „Du bist Deutscher.“ Diese Bestätigung bekommen Menschen, denen man den Migrationshintergrund ansieht, nicht. Man wird fremd gemacht. Wenn man mit einem POC spricht und sie spricht gutes Deutsch, dann wird das als selbstverständlich angenommen. Sieht man diese Person im Zug, dann ist sie fremd. Das tut weh und prägt sich ein.

Franzke: Das sind oft auch nur so kleine Situationen. Wie oft bin ich schon auf einer Party hier in Berlin auf Englisch angesprochen worden, von Leuten, die mit allen in der Küche Deutsch sprechen. Es kommt auf meine Tagesform an, wie ich dann reagiere: Manchmal ignoriere ich das, manchmal gebe ich mir einen Ruck und sag was dazu. Man muss sich dann immer darauf gefasst machen, dass die Leute das nicht verstehen und sich empören, dass ich das thematisiere, nach dem Motto: „Wie kannst du so etwas sagen? Ich bin doch kein Rassist“.

Was ist für euch eine offene Gesellschaft?

Franzke: Eine offene Gesellschaft ist nicht eine ohne Rassismus, aber eine, in der kompetent über Rassismus geredet werden kann. In der vermittelt wird: „Du bist hier richtig.“ Und in der es eine Kultur gibt, die auch Selbstkritik und Selbstreflexion fördert und die Menschen ermutigt, sich auch zu entschuldigen. 

Gueye: Meiner Meinung nach, ist das eine Gesellschaft, die akzeptiert, dass es keine stagnierenden Kulturen, sondern immer Entwicklungen gibt. Dass das als normal angesehen wird und man sich nicht ständig auf veraltete Traditionen zurückbesinnt und damit den Weg zum Neuen versperrt.

Das ­Interview führte LAILA OUDRAY, Reporterin von taz.meinland.