Rummel gibt es genug  ■   Strieder schenkt uns wieder Plätze

Schon der Baurat aus Weimar wusste, wem städtische Plätze gehören. Nämlich dem Volk. Und lebendig sind diese Orte nur, so Goethe, wenn sich die res publica „darauf tummelt“. Platzbesetzungen für private Begehrlichkeiten bedeuten Zweckentfremdungen derselben.

Peter Strieder will nun ein Gleiches. Nicht Exklusivität, sondern Partizipation soll auf den historischen Plätzen der Stadt einziehen. Damit schiebt Strieder einer Entwicklung den Riegel vor, der längst überfällig ist. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht am Brandenburger Tor eine Videowand auf riesigen Gerüsten den Weg versperrt. Konzerne und private Fernsehanstalten nutzen den Gendarmenmarkt, den Schlossplatz oder den Pariser Platz als Kulisse für ihre Bühnen. Der öffentliche Raum verkommt zum Ort für kommerzielle Spektakel, von Gameshows über Produktwerbung bis hin zu Musikevents, dass einem die Ohren dröhnen. Als Nebeneffekt der Festivalisierung rücken den Passanten Sicherheits-Sheriffs auf den Pelz. Plätze sind Rummelplätze geworden – nur nicht so lustig und schon gar nicht so freizügig.

Dass Strieder sich jetzt zum Retter des öffentlichen Raums emporschwingt, ist richtig – aber auch ein wenig scheinheilig. Denn schuldlos an der Kommerzialisierung der Plätze ist der Senator nicht, hat er doch seinen Teil dazu getan, die Stadt zu vermarkten. Die Übereignung der Millenniumsfeier an die Silvester Berlin GmbH oder die Vereinnahmung der Siegessäule und des Brandenburger Tores durch Events geht in der Mehrzahl der Fälle auf Inititiativen des Senats zurück. Schon darum ist es fragwürdig, den Bezirken, die die Spektakel genehmigen, den schwarzen Peter zuzuschieben.

Das Volk braucht Plätze für sich und seine Feste. Dass im Zeitalter der Omnipräsenz der Medien und des Kommerzes sich die Stadt als Kulisse nicht vestecken lässt, ist ebenso klar. Muss sie auch gar nicht, gibt es doch genug Plätze, an denen die Show über die Bühne gehen kann. Der Marlene-Dietrich-Platz am Potsdamer Platz etwa eignet sich vorzüglich dazu. Dort ist Kommerzrummel pur, und nebenan bei Sony wird es ebenso werden. Rolf Lautenschläger

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