Wir haben die Form kritisiert“

■ Verena Kuni, Claudia Reiche, Cornelia Sollfrank und Helene von Oldenburg gehören zum Kern des feministischen „Old Boys Network“

taz: Das Old Boys Network geht auf die letzte documenta in Kassel zurück. Es besteht aus Frauen, die sich sich als Cyberfeministinnen verstehen. Auch zur Karlsruher Ausstellung „net_condition“ ist die Gruppe eingeladen worden. In einer Erklärung zu ihrem Auftritt heißt es: „Den Titel unserer Performance, obn@zkm, haben wir bewusst doppeldeutig gewählt. Angelehnt an die übliche Form von eMail-Adressen verweist der Titel einerseits unmittelbar auf den Auftritt des old boys network am ZKM, suggeriert aber zugleich, eine real existierende Netzadresse zu sein.“ Was heißt das?

Verena Kuni: Das @ steht inzwischen modisch auf jedem Club-Flyer, auch wenn es nicht um Netzadressen geht. Diese elektronische Adressenzuordnung kann man zwar hacken, aber sie scheint auch immer den Charakter des Authentischen zu haben. Wir haben das @ doppeldeutig benutzt: obn@zkm heißt auf der einen Seite „wir besuchen das ZKM, wir sind am ZKM“, also ähnlich wie auf den Club-Flyern. Andererseits, warum sollte man es nicht wörtlich nehmen? Eine Adresse in einer Institution zu haben heißt, dass ich als Institutionsmitarbeiterin poste, auch wenn ich sie privat benutze. Wir haben uns dieser Strategien bedient, um sie in einem sehr prekären Feld zu erproben, was nicht bedeutet, dass wir sie mit Erfolgsaussichten belegen. Für uns war von Anfang an mit der Einladung die Frage verbunden, was passiert, wenn Kunst im Netz oder Politik im Netz ausgestellt wird in einer Kunstinstitution wie dem ZKM. Was pragmatisch passiert, konnte man auf verschiedenen Ebenen sehen, zum Beispiel wenn das Netz nicht lief, standen Leute vor den Objekten und haben gesagt: „Da steckt doch nichts dahinter, das ist doch alles Quatsch.“

Der Beitrag des Old Boys Network ist ein Manifest. Darin heißt es unter anderem: „Ausstellungsräume aufräumen! Alles muss raus! Liquidation auf dem internationalen Markt oder ab ins Magazin.“ Nicht gerade realistisch. Die Netz-Ausstellung ist noch bis zum 9. Januar 2000 geöffnet.

Claudia Reiche: Bisher wurde im ZKM das Internet ignoriert. Peter Weibel will das ändern, weil er der Meinung ist, das Internet sei als künstlerisches Medium wichtig, aber auch politisch, utopisch, sozial. Er versucht das ZKM mit dem Internet zusammenzubringen. Das ist an sich ein gutes Anliegen, aber es ist absurd, dass dieses Zentrum sich nicht einfach als ein Knoten in einem Netzwerk betrachtet. Es könnte als Server für Netzkünstler dienen. Aber Weibel will die ganze Netzkunst-Geschichte schreiben und in einer zentralen Ausstellung zeigen. Das Widersinnige daran ist das Zentralisieren. Weibel hat die besten Arbeiten zusammengesammelt. Aber warum müssen sie im ZKM ausgestellt sein? Sie funktionieren nicht im ZKM, sie funktionieren da, wo sie gemacht sind. Die ganze Ausstellung funktioniert nicht, wenn jemand nicht an das Netz NSangeschlossen ist und keine Erfahrung mit dem Medium hat. Dann kann er nicht ins Museum gehen und meinen, da könne man dann in drei Stunden Internetkunst verstehen. Also selbst wenn der Server mal läuft, kann man nicht verstehen, was das Spezifische daran ist, wenn man das Medium überhaupt nicht kennt.

Verena Kuni: Das ist aber auch eine Qualität der Ausstellung. Sie zeigt ein Manko des Museums insgesamt, nämlich dass ohne Kontextwissen Kunst nicht verstanden werden kann. Die Leute nehmen sie für bare Münze, weil sie jetzt im Museum ist – jemand hat sie für sie ausgesucht, dann wird es schon in Ordnung sein.

Das Manifest fordert auch eine „virtuelle Menstruationshütte auf dem Server des ZKM“. Inwiefern ist es emanzipatorisch oder subversiv?

Cornelia Sollfrank: Es sind Zitate bestimmter Formen von Cyberfeminismus und politische Vorgehensweisen, pragmatische frauenpolitische Forderungen. Oder Zitate aus dem Weibel-Konzept, die durch „cyberfeministisch“ ergänzt wurden.

Verena Kuni: Wir haben die Form, in der diese Forderungen kamen, kritisiert und zugleich gutgeheißen. Es gibt viele Brüche und Perspektiven darin, es ist eine Strategie, mit Widersprüchen in Bezug auf cyberfeministische Ziele zurechtzukommen. Das Manifest fragt danach, wie man mit dem Ismus im Verhältnis zu einer Institution umgehen soll. Da gibt es keine Patentrezepte, und dass wir widersprüchliche Strategien im Manifest zitiert haben, zeigt, dass es eine aktuelle Frage ist, die wir selbst bearbeiten.

Helene von Oldenburg: Es geht darum, einen Dissens zu vermitteln, auf den wir uns einigen. Die eine kann sagen, ich möchte ein Professur haben, die andere sagt, ich will mehr Subkultur, das ist nicht einheitlich. Wir wollen zeigen, dass es verschiedene Forderungen und Widersprüche gibt.

Interview: Antonia Ulrich

Old Boys Network: www.obn.org