Es gibt nur ein Original

Stadtschloss: Grüne im Bundestag für Wiederaufbau. Palazzo Prozzo wird integriert. Bibliothek, Medienzentrum und EU-Institutionen als Nutzungen vorgeschlagen. PDS: grüne Schlossgeister

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Gerhard Schröder, Michael Naumann oder Eberhard Diepgen poltern nicht mehr allein als Schlossgeister. Nach einem Wiederaufbau des barocken Schlüterbaus in der Mitte der Hauptstadt sehnen sich nun auch die Grünen. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Grüne hat gestern den Vorschlag präsentiert, die Westseite des Schlossplatzes nach den historischen Plänen des 1950 gesprengten Schlossbaus zu rekonstruieren. Auf der Ostseite des Areals sollen Teile des Palastes der Republik in das Bauwerk integriert werden. Ausserdem schlagen die Grünen vor, den Schlosspalast für öffentliche städtische und europäische Institutionen zu nutzen.

Nach Ansicht von Franziska Eichstädt-Bohlig, baupolitische Sprecherin der Grünenfraktion, bedeute der Schloss-Vorstoß eine Reaktion auf die stattfindende Debatte. „Wenn in der Gesellschaft die Sehnsucht nach einer Rekonstruktion des Schlosses da ist, muss das ernst genommen werden“, sagte sie zur taz.

Zugleich, so Eichstädt-Bohlig, beinhalte das Konzept, dass der Bund, das Land und mittels einer Stiftung die Bürger selbst das Bauwerk finanzierten. Privatwirtschaftliche Nutzungen und „Risiken für eine Fertigstellung“ könnten dadurch ausgeschlossen werden. Vorbild für die Schlossrekonstruktion, so die Bauexpertin, sei das „Engagement der Öffentlichkeit für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche“. Der Bau des Schlosses wird auf 1,5 Milliarden Mark, die Dauer auf 25 Jahre geschätzt.

Heftig wandte sich Eichstädt-Bohlig gegen die „Vereinnahmungen des Grünen-Konzepts“ durch Schloss-Fans „wie den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und andere“. Diepgen hatte gestern das Votum zum Wiederaufbau als „Plädoyer für seine eigene Haltung“ begrüßt.

Weder ziele der Vorschlag auf eine „nostalgische Schlosserinnerung“, da auch der Palast Teil des Konzepts sei, sagte Eichstädt-Bohlig. Noch solle ein „Disney-Land“ durch den Aufbau einer Fassade entstehen, sondern ein „Stück Baukultur original rekonstruiert werden“. Nicht akzeptabel sei das von der FDP-Fraktion favorisierte private Investorenmodell oder „Event-Architekturen“ mit Hotels und Kongress-Zentren. Sollten der Bundestag und die Bürger die Rekonstuktion ablehnen, sprach sich die grüne Politikerin für eine Architektur in moderner Weise aus.

In dem Schlossbau soll langfristig eine europäische Institution einziehen, sagte die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer. Der Palast der Republik könnte von einer Bibliothek und einem Medienkulturzentrum genutzt, der ehemalige Volkskammersaal zum Audimax für die Humboldt-Universität umgewandelt werden. Über die Gestaltung und die Verbindung von Schloss und Palast der Republik könnte ein Architektenwettbewerb entscheiden.

Kritik erntet der Vorschlag von der PDS. Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau warf den Grünen vor, diese „schlagen sich auf die Seite der Schlossgeister“. Der Vorschlag für eine europäische Institution „konterkariere die Idee eines bürgernahen Ortes“.