Der Schlossplatz als „Ort des Wissens“

taz-Debatte zum Schlossplatz (Teil 2): Der Stadtplaner Klaus Brake möchte in der Berliner Mitte die Zukunft thematisieren. Eine solche „Agora“ könnte historische und moderne bauliche Elemente zusammenführen

Die städtebauliche Gestaltung des Schlossplatzes muss der Bedeutung dieses Ortes entsprechen und zugleich zukunftsweisende Aspekte einbeziehen.

Dieser Ort sollte vor allem Wege bahnen. Zum einen Wege zwischen Ost und West: Hierbei handelt es sich um den Austausch von gesellschaftlichen Erfahrungen. Damit geht es zugleich um Wege in die Zukunft der „einen Welt“, in die wir uns höchst turbulent hineinbewegen. Derartige Wege bahnen zu helfen an einem Ort in Berlin, wäre ein neuer übergeifender Bedeutungsgehalt für die Mitte der Spreeinsel.

Wo aber befinden wir uns mit dem Platzensemble der Spreeinsel. Die Antwort lautet: Mitten in einer „Stadt des Wissens“. Diese Losung ist für Berlin doppelt angemessen. Alle großen Städte müssen sich auf eine neue Basis von Tätigkeiten einstellen, jenseits fertigender Industrie. Erst recht bei allerorts verfügbaren Informationen haben große Städte eine Entwicklungschance, indem sie die Orte sind, an denen daraus neues Wissen, neue Ideen und Tätigkeiten gewonnen werden.

Gerade Berlin ist hier besonders gefordert und zugleich begabt: Die Wissensbestände und -institutionen sind Legion und exzellent; speziell die Fähigkeiten des produktiven Umgangs damit haben Berlin einmal zur Metropole gemacht. Allein, die Kultur des Wissens-Umgangs – sie ist derzeit verschüttet und unbedingt wieder zu entfalten. Es bietet sich an, einen Ort des „Sichverständigens“ mit der Kampagne „Stadt des Wissens“ zu verknüpfen, und zwar mit der Absicht, sich mithilfe eines Ortes der kreativen Verständigung wissend in die Zukunft zu bewegen. Das angemessene Motto für die Bedeutung des Platzensembles Spreeinsel ist: ein besonderer Ort in einer „Stadt des Wissens“ als „Agora des 3. Jahrtausends“.

Was heißt das für diesen Ort, zunächst für sein Profil? Eine Stadt des Wissens lebt davon, den Umgang mit Wissen zu mobilisieren, das heißt den Fundus des Gemeinwesens zu aktivieren und die Neugierde ihrer Menschen auf (neues) Wissen zu stimulieren. Gerade dafür reicht es nicht, die Wissensinstitutionen nur als solche zu qualifizieren und zu vernetzen; sie sind auch informativ und einladend zu gestalten.

Das gelingt umso mehr, indem sie baulich als Orte des Wissensumgangs erkennbar sind, an ihrem Standort zugänglich und ansprechend wirken und ihr Umfeld als attraktive Wissensquartiere prägen. Damit geht es hier also um die Spreeinsel insgesamt und um deren nähere Umgebung. Ihr zentraler Platz als solcher liegt im Schnittpunkt der Gravitationslinien dieses Wissensquartiers; er selbst ist als der Dialog- und Aktivitätsort für Verständigung und Erfahrungsaustausch einiger besonders wichtiger Dimensionen von Wissens-Umgang zu konzipieren.

Was bedeutet das des Weiteren für das Nutzungskonzept? Zum einen müssen die wesentlichen Akteure dieses Wissensquartiers auf dem Schlossplatz präsent sein: diejenigen der historischen Entwicklung (Museen, Bibliotheken), ihrer auch zukunftsorientierten Interpretation (über Humboldt-Universität, Bauakademie, Bühnen, Kirchen, Politik hinaus auch ein Science- und Engineering-Center) und diejenigen aktuellster Information über unsere Welt (Medien).

Nicht ihre Routineaufgaben gehören hier hin; insofern ist am Thema „Ethnologie“ was durchaus Konstruktives, nicht aber als ein Museum in Gänze. Hierhin gehören vielmehr deren spezielle Informations-, Themen-, Dialog- und Animations-Angebote; die Praxis großer Kultureinrichtungen New Yorks mit ihren Dependancen in Manhattan können hier Vorbild sein. Als „front offices“ befruchten sie den Diskurs, stimulieren Vertiefung überall im Wissensquartier, in der Stadt und in aller Welt und provozieren neue Interaktionen.

Dies zu befördern, sind hier des Weiteren Akteure sinnvoll, die Dialoge unterstützen, sie initiieren oder moderieren. Und schließlich bedarf es einer „Infrastruktur“ für die Verständigung im produktiven Umgang mit den Wissensbeständen vor Ort: Raum für informelle Treffen, Information, Veranstaltungen

Was heißt das – und zwar in dritter Linie erst – dann für den Umgang mit dem Platzensemble Spreeinsel? Es ergeben sich deutliche Argumente zunächst für ein bauliches und institutionelles Ensemble in ausdrücklich öffentlicher Verantwortung an diesem Ort. Darüber hinaus für ein städtebauliches Ensemble, das ortsprägende Strukturen aufgreift – als Elemente der Entwicklung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Dazu gehört die Integration mindestens von Teilen des „Palastes der Republik“ (z. T. vielleicht als „DHM-DDR“) und auch der seriöse Versuch, wahrnehmbar auf das Stadtschloss zu verweisen (etwa durch Aufnahme der wesentlichen Baufluchtlinien oder Traufhöhen bzw. einer Rekonstruktion der westlichen Gebäudeecke als „DHM Preußen“).

Darüber hinaus wird es hier Neubauten geben müssen. Zum einen, um den Bedarf an denjenigen Räumlichkeiten zu befriedigen, die mit Palast-, Schlossfragmenten nicht ohne Weiteres erfüllt werden können (etwa um ein offenes, aber gedecktes „Amphitheater“ gruppierte Info-Pools, Sketch-Bühnen etc. für Foren und Ähnliches – hierfür eignet sich ein Blick auf das Sony-Center). Zum anderen, um den baulichen Kontext herzustellen, der die neue Mitte der Spreeinsel erst signifikant macht.

Derartige Neubauten müssten in einer betont zukunftsorientierten Architektur gestaltet werden. Dazu wären in der Tat Erfahrungen insbesondere aus Paris aufzugreifen und Berliner Gestaltungsprinzipien zu suspendieren: Die „Agora des 3.Jahrtausends“ muss sich als transparente und zugleich definierte Baustruktur darstellen.

Schließlich die finanziellen Mittel: Für viele Institutionen des „Wissensquartiers Spreeinsel“ stehen weitere Baumaßnahmen zur Debatte, teils an ihren eigentlichen Standorten, teils mit der Suche nach neuen. Ein solches Projekt eines integrierten Ortes in einer „Stadt des Wissens“ (mit seinen Synergieeffekten für alle Beteiligten) provoziert einen koordinierten Ansatz: Die Erweiterungen einzelner Institutionen wären damit dann so zu arrangieren, dass sich diejenigen Sektionen, die konzeptionell für dieses Projekt erheblich sind, als „Kopfstationen“ auf dem Platzensemble versammeln; aktuelle Überlegungen eines standörtlichen Neusortierens bzw. Ringtauschs wie etwa für die Museen SPK, die Stadtbibliothek oder auch das DHM können dafür genutzt werden; mit den ohnehin angedachten Investitionen würden bereits erhebliche (und i. W. öffentliche) Mittel auf die Spreeinsel fokussiert und für den Schlossplatz zur Verfügung stehen. KLAUS BRAKE