Geschichtspolitiker

Der Historiker Horst Möller wollte eine kritische Laudatio auf den NS-Apologeten Ernst Nolte halten. Vor lauter Lob ging die Kritik unter

Gestern wollte Horst Möller das Unmögliche möglich machen. Für die rechtskonservative Deutschland-Stiftung hielt der Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte eine Lobrede auf den Geschichtsphilosophen Ernst Nolte. Andererseits hatte Möller aber versichert, er wolle sich von dem Geehrten, der sich in den letzten 15 Jahren um die Verharmlosung des Nationalsozialismus verdient gemacht hat, auch distanzieren. Die historisch interessierte Öffentlichkeit fieberte also dem weltgeschichtlichen Novum einer kritischen Laudatio entgegen.

Funktioniert hat das nicht – und sollte es wohl auch gar nicht. Zwar versicherte Möller, er teile Noltes These nicht, dass der Nationalsozialismus in erster Linie eine – verständliche – Reaktion auf den Bolschewismus gewesen sei. Gleichzeitig aber forderte er eine faire Auseinandersetzung mit Nolte und scheute sich nicht, Rosa Luxemburgs Wort von der „Freiheit des Andersdenkenden“ für den NS-Apologeten in Anspruch zu nehmen.

Damit bediente sich Möller eines gängigen Argumentationsmusters jener konservativen Historiker, die Noltes Thesen zwar nicht teilen, den Außenseiter aber unter dem Deckmantel der Freiheit von Forschung und Lehre gegen die vermeintliche Gesinnungspolizei der progressiv gesinnten Kollegen instrumentalisieren. Einen neuerlichen Etappensieg können damit jene Geschichtswissenschaftler verbuchen, die – vom Historiker Helmut Kohl einst nach Kräften gefördert – an einem konservativen Rollback in der deutschen Zeitgeschichtsforschung arbeiten.

Möller ist eine zentrale Figur dieser Geschichtspolitik. Erst nach langem Zwist war es Kohl gelungen, seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge des 1989 gestorbenen Direktors des Instituts für Zeitgeschichte, Martin Broszat, durchzusetzen. Innerhalb kürzester Zeit gelang es Möller, den einst überragenden Ruf der Münchner Einrichtung zu ruinieren. Herausragende Mitarbeiter verließen das Haus, Beiträge zu einer kritischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus sind seither kaum noch nach außen gedrungen. Stattdessen publizierte Möller unter dem Titel „Der rote Holocaust“ einen Sammelband über die Verbrechen des Kommunismus.

Nach dem Ende der Ära Kohl ist die politische Rückendeckung für die rechtskonservativen Geschichtsdeuter deutlich geschwunden – auch in der CDU. Der Fall Möller aber zeigt, dass die Folgen der Kohlschen Personalpolitik noch eine Weile zu spüren sein werden. Und das nicht nur am Institut für Zeitgeschichte. RALPH BOLLMANN