Im Zeichen des Mammons

aus Pune RAINER HÖRIG

Einsam, fast menschenleer erstreckt sich die Straße zur internationalen Osho-Kommune durch Punes vornehmen Stadtteil Koregaon Park. Vor wenigen Monaten noch drängten sich hier Tausende Asiaten, Europäer, Amerikaner auf der Suche nach dem Seelenkick. Heute nichts als gähnende Leere.

„Seit zehn Tagen habe ich kein einziges Kleidungsstück verkauft“, klagt der Straßenhändler Laljibhai, der seit Jahren Sanyasins mit den vorschriftsmäßigen weinroten Roben versorgt. Selbst die „German Bakery“ um die Ecke, beliebter Treffpunkt junger Leute aus aller Welt, backt mangels Gästen kleinere Brötchen. Die Monsunmonate sind zwar schon immer „off-season“, dennoch fällt der Besucherschwund ins Auge.

Wen wundert’s, tobt doch in der Kommune ein erbitterter Machtkampf um die Kontrolle über Hunderte von Meditationszentren in aller Welt, um die Vermarktungsrechte von 1.500 Buchtiteln, von Tonbandkassetten und Videobändern mit den Diskursen des Meisters.

Bhagwan Shree Rajneesh, der im letzten Jahr seines irdischen Daseins den Namen Osho annahm, hatte kurz vor seinem Ableben einen so genannten Inner Circle von 21 Vertrauten mit der Leitung der Kommune beauftragt. Bis heute sind fünfzehn der Ur-Mitglieder ausgeschieden oder gefeuert.

Die Nachfolger bestimmte das erlauchte Gremium selbst. Seit eh und je umgibt man sich mit einer Aura der Exklusivität, tritt selten an die Öffentlichkeit, ist selbst für Kommunemitglieder nicht zu sprechen. Die Entscheidungsfindung im Inner Circle ist undurchsichtig und unterliegt keinerlei demokratischer Kontrolle. Meinungsverschiedenheiten dringen nur dann nach außen, wenn ein Swami oder eine Ma verärgert der Kommune den Rücken kehrt.

Durch ein mächtiges, mit Messing beschlagenes Holztor betritt der um Erleuchtung Bemühte die Kommune. Ein paar schwarz gestrichene Gebäude ducken sich unter alten, von Lianen umschlungenen Bäumen. Junge und ältere Leute aller Hautfarben, alle in knöchellange Roben gehüllt, wandeln auf weißem Marmor zwischen Kantine und Buchladen, von der Buddha-Halle zum Swimmingpool.

Hinter den blau getönten Glasscheiben des Bürogebäudes empfängt der Sprecher der Kommune, Swami Satya Vedant, fragende Journalisten. Nein, es gebe keinen Konflikt, alles in Ordnung. Osho habe schon vor zwanzig Jahren das Copyright an seinen Werken einer Stiftung übertragen. Nun versuchten einige Leute, daraus einen Skandal zu fabrizieren. Sie ließen mit Hilfe der Presse Lügen verbreiten, aber man habe sie Punkt für Punkt widerlegt, erklärt der bärtige Inder und überreicht Fotokopien einer ganzseitigen Anzeige, die der Inner Circle in der überregionalen Tageszeitung Indian Express veröffentlichen ließ. Darin attackiert die Kommune-Leitung die Glaubwürdigkeit ihrer Gegner mit der Behauptung, sie wären eben nicht zugegen gewesen, als Osho sein Vermächtnis mit der Kommuneleitung abgesprochen habe.

Zwei Tage später Interviewtermin bei Oshos ehemaliger Sekretärin und einst engsten Vertrauten Ma Yoga Neelam, die die Kommune vor anderthalb Jahren im Streit verließ und nun die Rebellion anführt (siehe auch Interview). In ihrem luxuriösen Apartment, einen Kilometer vom Osho-Zentrum entfernt, geben sich neuerdings Journalisten die Türklinke in die Hand. „Alles Lügen, Lügen, Lügen, was soll man da sagen? Die fühlen sich bedroht und geben viel Geld für eine Zeitungsanzeige aus, die zur Hälfte aus Verleumdungen gegen mich besteht“, schimpft die attraktive Inderin. Ihr Partner Swami Keerti, der als Pressesprecher von 1987 noch bis zum Februar diesen Jahres treu und brav die Entscheidungen des Inner Circle verkündete, ist heute ein engagierter Kritiker: „Osho ist keine Ware, er ist eine Bewusstseinsrevolution. Er hat stets gewollt, dass seine Gedanken und Werke möglichst weite Verbreitung finden, nicht aber, dass einige Wenige sie sich über Patente und Warenzeichen aneignen.“

Diese Vorwürfe zielen direkt auf die Leitung des Inner Circle, nämlich Michael O’Bryne (Swami Jayesh), John Andrew (Swami Amrito) und Ma Anando, die sich über die in New York ansässige Stiftung „Osho International Foundation“ zu alleinigen Inhabern aller Copyrights auf Oshos Werke erklärten. „Diese drei haben das Machtzentrum der Gemeinschaft heimlich ins Ausland verlagert. Wenn wir in Zukunft in Indien Oshos Bücher drucken möchten, müssen wir dafür in New York eine Genehmigung einholen“, wettert Ma Neelam. Vor zehn Tagen wurde auch sie vom Inner Circle mit Hausverbot belegt.

Schon bald nachdem der Meister „seinen Körper verlassen hatte“ begann sich der Trend zur Kommerzialisierung abzuzeichnen – unter tätiger Mitwirkung von Ma Yoga Neelam und Swami Keerti übrigens. Zunächst wurde ein tägliches Eintrittsgeld für die Kommune erhoben, die Preise für Therapien und Meditationen allmählich dem westlichem Niveau angepasst.

Heute versteht sich die Kommune als Dienstleistungsbetrieb, als spirituelles Health-Ressort. Geld verdienen ist keine Schande mehr. Mit den jüngsten Patentanträgen will der Inner Circle das Geschäft effizienter machen, will ein Monopol über die Vermarktung von Oshos Erbe errichten und dessen „Missbrauch verhindern“, wie es so schön heißt.

Sollte die Osho-Gemeinde wieder einmal zum Trendsetter der Branche werden? Womöglich lässt sich die Mun-Sekte bald ein Patent auf Massenhochzeiten erteilen, stellt die Scientology ihre einzigartigen Techniken der Kollekte unter gesetzlichen Schutz? Vielleicht wird eines Tages ja auch der Papst das Copyright auf die Bibel beantragen, im Namen Gottes, versteht sich.