„Warum soll ich mich mäßigen?“

Die in der eigenen Partei heftig umstrittene EU-Abgeordnete der Grünen, Ilka Schröder, sieht keinen Anlass, ihren Politikstil zu ändern. Ihr Streit mit Fraktionskollegen sei „politischer Natur“. Einem Parteiausschlussverfahren blickt sie gelassen entgegen

Interview: LUKAS WALLRAFF

taz: Die Schatzmeisterin der Grünen im Europaparlament kann sich eine Zusammenarbeit mit Ihnen nicht mehr vorstellen. Der Bundesvorstand droht mit „Konsequenzen“. Wie stellen Sie sich selbst Ihre weitere Arbeit bis 2004 vor?

Ilka Schröder: Ich werde weiter an meinen politischen Projekten arbeiten. Das betrifft die Kritik an der Festung EU und den Einsatz für offene Grenzen, die Außen- und Wirtschaftspolitik.

Das wird nicht leicht. Sie sollen kein Geld mehr für Öffentlichkeitsarbeit bekommen.

Einen solchen Beschluss gibt es nicht. Es ist nur entschieden worden, dass Heide Rühle Schatzmeisterin bleibt. Es ist bisher nicht über die Gelder für meine Öffentlichkeitsarbeit abgestimmt worden, das entspricht einfach nicht den Tatsachen.

Aber es stimmt, dass es die Fraktion nicht mehr zulassen will, wenn sich Abgeordnete gegenseitig angreifen?

Das war nur eine Bestätigung des Verhaltenskodexes, den es vorher schon gab. Darin heißt es, dass man persönliche Konflikte zuerst in der Fraktion austrägt und nur in gemäßigter Form an die Öffentlichkeit weitergibt.

Kein Problem für Sie?

Meine Auseinandersetzungen waren ja politischer Natur.

Auch als Sie Ihrem früheren Fraktionskollegen Ozan Ceyhun „Menschen verachtende Fehlgriffe“ vorwarfen?

Was ich getan habe, war, seine Politik zu bewerten. Als die 58 Flüchtlinge in Dover gestorben sind, hat er mehr polizeiliche Maßnahmen gefordert. Stärkere Kontrollen an den EU-Außengrenzen bewirken aber, dass sich Fluchthelfer noch waghalsigere Beförderungsmethoden ausdenken. Das wird zu noch mehr Toten führen. Wenn Ceyhun Flüchtlingsleichen benutzt, um Law-and-order-Politik zu fordern, dann hat er diesen Leuten noch ein Messer in den Rücken gestochen. Dazu stehe ich.

Viele Grüne wollen diese Form der Auseinandersetzung nicht mehr hinnehmen.

Ich mache lediglich darauf aufmerksam, wenn jemand keine grüne Politik macht. Ich kann es nachvollziehen, dass Leute das nicht gerne hören. Aber Ursache des Problems bin nicht ich. Ich benenne es nur. Deshalb verstehe ich nicht, warum man mir sagt, ich solle mich mäßigen.

Ist es nicht parteischädigend, wenn Sie sagen: „Wer sicherstellen will, dass Deutschland Kriege führen kann, soll die Grünen wählen“?

Das betraf das Konzept der Bundestagsfraktion zur Steigerung der Interventionsfähigkeit der Bundeswehr. Da frage ich mich einfach: Was will man anderes mit einer Interventionsarmee, als Kriege zu führen? Die Grünen sind für ein ganz bestimmtes Programm angetreten. Da wo sie es nicht mehr verwirklichen, möchte ich darüber reden, warum man teilweise das Gegenteil von dem macht, wofür man angetreten ist.

Macht es Sie nicht nachdenklich, wenn Ihnen der hessische Grünen-Sprecher Kleinert vorwirft, Sie verletzten zivilisatorische Grundregeln?

Mich macht vor allem nachdenklich und traurig, was die Grünen im Moment an Politik umsetzen. Etwa, wenn man sich ausgerechnet in der Diskussion um eine deutsche Leitkultur von dem Begriff der multikulturellen Gesellschaft verabschiedet.

Wie gehen Sie mit einem möglichen Parteiausschlussverfahren um?

Ich glaube nicht, dass es zum Erfolg führen wird. Es wird sehr schwer werden, mir nachzuweisen, dass ich nicht auf Grundlage der grünen Programmatik Politik mache. Wenn irgendjemand diesen Prozess anstrengen will: Bitte schön, dann freue ich mich darauf. Dann hoffe ich, dass es endlich zu einer inhaltlichen Debatte kommt. Aber genau deswegen wird es wohl zu gar keinem Ausschlussantrag kommen.