Schloss oder nicht Schloss?

Die Bundesregierung und der Berliner Senat haben gestern die Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“ eingesetzt. Damit geht die seit zehn Jahren andauernde Debatte über den zentralen Ort von Stadt und Staat in die neue Runde

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wenn es um Berlin geht, gibt sich Eberhard Diepgen, der Regierende Bürgermeister der Stadt, gern kämpferisch-provinziell. Ganz mit dem Habitus des Landesvaters polterte der CDU-Politiker gestern erneut gegen jede Form der äußeren Einmischung, geht es um die zukünftige Bebauung des Schlossplatzes. Die „Wiedergewinnung der Mitte der Stadt“ bleibe „eine ureigne Angelegenheit Berlins“. Das Votum der neu eingesetzten Expertenkommission, die Empfehlungen zur Nutzung, Finanzierung und Architektur für den zentralen Standort erarbeiten soll, bedeute für Berlin „keine Automatik“ in der Umsetzung der Vorschläge. Denn was dort, wo jetzt noch der Palast der Republik steht, gebaut werden muss, ist für Diepgen und „die Mehrheit der Berliner schon längst klar“: In die historische Mitte gehöre das rekonstruierte Stadtschloss. Punktum.

Dass Diepgen sich bei der Vorstellung des 17-köpfigen Gremiums so mächtig ins Zeug legte, hat seinen Grund. Zwar haben sich in den vergangenen Monaten mit Diepgen führende Politiker, darunter Bundeskanzler Gerhard Schröder oder die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, für den Wiederaufbau des 1950 von Walter Ulbricht gesprengten barocken Schlossbaus ausgesprochen. Doch der historische Platz bleibt der umstrittenste Ort in der Hauptstadt. Die Geister scheiden sich nach wie vor an der seit 10 Jahren dauernden Frage „Schloss oder nicht Schloss“. Und klar ist auch, dass die Nutzung und Gestaltung des Schlossplatzes keine spezifisch Berliner, sondern eine „nationale Angelegenheit“ ist, wie Bundesbauminister Reinhard Klimmt Diepgen in die Schranken wies.

Mit der vom Bund und dem Land Berlin eingerichteten Expertenkommission wird der Streit über die Schloss-Rekonstruktion, eine moderne Bebauung oder den Erhalt des Palastes der Republik erst einmal fortschrieben werden. Denn die mehrfach korrigierte Besetzung der 1999 vom Bund beschlossenen Fachrunde, die bis Mitte 2001 Vorschläge über die Neugestaltung des gesamten Schlossareals zu entwickeln hat und deren Ergebnisse als „Grundlage für eine politische Entscheidung und die Auslobung eines Bauwettbewerbs dienen soll“, so Klimmt, zeichnet sich nicht durch eine Mehrheit an Schlossfans aus.

Zum Kommissionsvorsitzenden wurde der österreichische EU-Parlamentarier Hannes Swoboda ernannt. Peter Conradi, Präsident der Bundesarchitektenkammer, die einstige Bundesbaudirektorin Barbara Jakubeit, der Architekt Josef Paul Kleihues oder Bruno Flierl, Architekturkritiker aus Ostberlin, zählen zu den Befürwortern moderner Gestaltung. Daneben gehören dem Gremium der Unternehmensberater Roland Berger, der Schriftsteller Friedrich Dieckmann und der Leiter der Zentrale für Politische Bildung, Thomas Krüger, an. Begleitet werden soll die Arbeit der Kommission von einer „Moderatorengruppe“, der neben Klimmt auch Bundestagspräsident Thierse, der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Reinhard Führer, Kulturstaatsminister Michael Naumann sowie die Berliner Senatoren für Stadtentwicklung und Kultur, Peter Strieder und Christoph Stölzl, angehören.

Angesichts der ausgewählten Experten sieht der kulturpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Uwe Lehmann-Brauns, schon eine Mehrheit der Schlossgegner, die das Ziel verfolge, „das Schloss zu verhindern“. Dem müsse man sich entgegenstellen. Und Bürgermeister Eberhard Diepgen, ganz Berliner, weiß auch schon wie: „Ein Nachgeben“ wie bei der Debatte zum Holocaust-Mahnmal werde es beim Schloss nicht geben.