Gesichter des Antisemitismus

Die Einheitsfront von islamistischen und neonazistischen Gruppen gibt es nicht. Zu groß ist der kulturelle Graben. Doch die Antisemiten vernetzen sich

von EBERHARD SEIDEL

Noch weiß man nicht viel über die Motive der mutmaßlichen Täter des Brandanschlags auf die Düsseldorfer Synagoge. Nur so viel ist gesichert: Sie sind arabischer Herkunft. Bei einem der Tatverdächtigen waren ein Hitler-Bild und rechtsradikales Material gefunden worden. Und im Augenblick ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob die beiden Männer Kontakte zur rechtsextremen Szene gehabt haben.

Unabhängig davon, was die Ermittlungen zu Tage fördern werden, sie machen bereits heute auf ein Problem aufmerksam: Mit der Einwanderung haben sich die Spielarten Antisemitismus vervielfältigt. Die Bundesregierung macht in ihrer kürzlich veröffentlichten Antwort auf die Große Anfrage Jürgen Rüttgers (CDU) zum „Islam in Deutschland“ darauf aufmerksam. In der Vergangenheit hätten neben der libanesischen Hisbollah, die die Vernichtung des Staates Israel fordert, vor allem die „Islamische Gemeinschaft – Milli Görüs“ (IGMG) antisemistische Aussagen verbreitet.

So wird der Führer von Milli Görüs, Necmettin Erbakan, in der Verbandszeitung Milli Gazete zitiert: „Der unsichtbare Virus der wirtschaftlichen, politischen und moralischen Krankheiten, der die menschliche Struktur unbarmherzig zerfrisst, sind die zionistischen Vampire.“

Das seien Kinderkrankheiten, die der Vergangenheit angehören, meinte Hasan Özdogan, Vorsitzender des Islamrats, auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin: Milli Görüs hätte Fehler gemacht und in Milli Gazete tatsächlich antisemitische Texte veröffentlicht. Heute würde man allerdings darauf verzichten: „Wir haben gemerkt, dass antisemitische Äußerungen, die in der Türkei üblich sind, in Deutschland verboten sind.“

Inzwischen bemüht sich Milli Görüs demonstrativ um den jüdisch-muslimischen Dialog. Sie hat begriffen, dass in Deutschland keine Organisation gesellschaftlich anerkannt wird, die Antisemistismus predigt. Trotz aller Zurückhaltung möchte man nicht ganz von alten Gewohnheiten lassen. So vertreibt Milli Görüs auch die Bücher von Harun Yahya, der unter anderem die auch bei deutschen Neonazis populäre These vertritt, der Holocaust sei Schwindel, Erfindung zu Propagandazwecken.

Einen wesentlich aggressiveren Antisemitismus als Milli Görüs pflegen die rund 5.000 Anhänger des Kalifatsstaates in Köln. In ihrem Verbandsorgan Ümmet-i Mohammed schreibt die Organisation zum Beispiel am 29. April 1999: „Der Jüngste Tag wird erst dann anbrechen, wenn auch der letzte Jude von der Bildfläche verschwunden ist.“

Weder Milli Görüs noch den Anhängern des Kalifatsstaates würde es allerdings einfallen, mit deutschen Rechtsextremisten eine antisemitische Einheitsfront bilden. Zu groß sind neben den Judenhass die ideologischen und kulturellen Gräben.

Aber es gibt sie, die Vernetzung von islamistischen und neonazistischen Szenen. Alles, was das rechtsextremistische Herz begehrt, lieferte bis vor kurzem der Exilmarokkaner Ahmad Rami aus Stockholm, der als Bindeglied zwischen westeuropäischen und arabischen Holocaustleugnern gilt. Auf der am Donnerstag abgeschalteten Homepage „Radio Islam“ fanden sich Pamphlete einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung wie die in Deutschland verbotenen „Protokolle der Weisen von Zion“.

Im Internet veröffentlichte Fotos zeigen Ahmad Rami mit Nazigrößen wie Ernst Zündel und den schweizer Holocaustleugner Jürgen Graf sowie dem geistigen Führer der islamistischen Hisbollah. Bereits 1992 organisierte Rami einen Kongress zu dem neben Hamas, auch Vertreter der Hisbollah und der russsischen Pamjat eingeladen waren.

Rainer Fromm, Fernsehjournalist und Rechtsextremismusexperte, macht mit seinem am vergangenen Mittwoch in „Kennzeichen D“ ausgestrahlten Beitrag „Islamismus und Rechtsextreme/Hakenkreuz und Halbmond“ erneut auf diese brisante Verbindung aufmerksam.

Wie ernst sie zu nehmen ist, darüber streiten sich die Experten. Heiner Wegesin, Leiter des Verfassungsschutzes Brandenburg, meint gegenüber „Kennzeichen D“, man habe im Umfeld von Hamas aber auch anderer Organisationen keinerlei Scheu mehr, auf Veranstaltungen der unorganisierten rechtsextremistischen Szene aufzutreten.

Prompt widersprach Herbert Müller, Islamismusexperte beim Verfassungsschutz Baden-Württemberg, seinem Kollegen via Süddeutscher Zeitung: „Ich halte die These für gewagt. Ich suche seit Jahren nach Verflechtungen, aber ich habe sie nicht gefunden. Zwar seien die Ideologien deckungsgleich – Leugnung des Holocaust, Judenhass, Angst vor Fremden. Doch funktionieren Begegenungen von Islamisten und Rechten nur, solange hinterher jeder brav zu sich nach Hause zurückkehrt.“ Wirklich?

Egal wie stark die islamistisch-rechtsexremistische Zusammenarbeit im Einzelnen sein mag, es gibt sie. Indikatoren: Auf den neonazistischen Hompages von Eugenik und White Youth sind direkte Links zu Hamas und zur Hisbollah installiert. Und der Schweizer Holocaustleugner Jürgen Graf, der in der Schweiz zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, soll laut National Journal im Iran Asyl erhalten haben.

Auch der NPD-Aktivist Horst Mahler ist einer, der die islamistisch-rechtsextremistische Zusammenarbeit propagiert: „Die Juden haben sich Palästina genommen und betreiben dort Völkermord, das bringt eine gemeinsame Front der Deutschen und Palästinenser zustande.“ Bei der zentralen NPD-Demonstration am 26. November in Berlin schwenkten Teilnehmer die Palästinafahne.