Putins Lautsprecher

Täglich 400 Nachrichten aus Russland und dem Rest der Welt: Die russische Nachrichtenagentur Nowosti stellt ihren Dienst künftig kostenlos ins Netz

von BARBARA OERTEL

Russlands Regierung geht in die Offensive, diesmal jedoch via Internet. Zum 4. Januar des kommenden Jahres macht die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA-Nowosti (www.rian.ru) ihren Nachrichtendienst „Hot Line-1“ Surfern im Netz kostenlos zugänglich. Das Informationspaket, für das Abonnenten bislang monatlich 750 US-Dollar hinblättern müssen, umfasst täglich rund 400 Nachrichten aus Russland, den Staaten der GUS und dem Rest der Welt. Rund die Hälfte der Meldungen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Finanzen und Soziales sind, außer in Russisch, auch in Englisch abrufbar, ein Viertel in Deutsch, Französisch und Arabisch.

Wladimir Kulistikow, erst seit zwei Monaten Vorstandsvorsitzender der RIA-Nowosti und zuvor Leiter des Nachrichtenressorts beim privaten TV-Sender NTV, redete zur Begründung der jüngsten Initiative nicht lange herum. „Wir wollen im Informationsbereich richtig expandieren und verzichten deshalb auf die traditionelle Abo-Schiene. Wir möchten nicht nur Profis erreichen, sondern auch zunehmend Surfergruppen bei deren Suche nach O-Ton-Informationen ansprechen.“

Und diese Informationen habe Nowosti reichlich, schließlich erfahre die Agentur Neuigkeiten aus dem Machtzentrum häufig als erste. Das war auch schon früher so, wenngleich unter ganz anderen Vorzeichen. Am 24. Juni 1941 als Sowjetisches Informationsbüro (Sowinformbüro) beim Rat der Volkskommissare der UdSSR und dem ZK der KPdSU gegründet, entstand drei Jahre später zusätzlich ein Sonderbüro zur Propaganda für das Ausland.

1961 ging aus dem Sowinformbüro die Presseagentur „Nowosti“ (APN) hervor, die die Parteilinie im Ausland vertrat und die Sowjetbürger wohl dosiert und linientreu mit Nachrichten aus anderen Staaten fütterte.

1990 mutierte die APN unter der Ägide von Michail Gorbatschow zur Nachrichtenagentur „Nowosti“ (IAN) und verschmolz ein Jahr später mit der Russischen Nachrichtenagentur zur „Russischen Nachrichtenagentur Nowosti“. Seit 1998 ist RIA-Nowosti, die als staatliche Agentur dem Ministerium für Pressewesen und Information untersteht, Bestandteil der Media-Holding WGTRK.

Heute sind in der Moskauer Zentrale der Agentur, die im Zentrum nur zwei U-Bahn-Stationen vom Kreml entfernt ihren Sitz hat, 700 Menschen beschäftigt. Russlandweit hat Nowosti 50 Korrespondenten akkreditiert. Knapp 200 Mitarbeiter halten die Fahne von Nowosti in den 63 Auslandsbüros hoch, die über die ganze Welt verteilt sind. Zu 40 Prozent wird Nowosti aus dem russischen Staatshaushalt alimentiert, die übrigen 60 Prozent muss die Agentur durch Erlöse aus Abonnenments und Honoraren für Texte, Bilder und Videofilme selbst erwirtschaften.

Doch die Konkurrenz ist hart. So lauern in Russland mit dem staatlichen Unternehmen Itar-Tass und dem privaten Pendant Interfax zwei gewichtige Konkurrenten auf dem heiß umkämpften Nachrichtenmarkt. Derweil Itar-Tass etwas an Boden verloren hat, streiten sich Nowosti und Interfax in der Moskauer Region um den ersten Platz. In der Provinz hat Nowosti sowieso schon die Nase vorn.

Auch auf internationalem Terrain kämpft Nowosti um Anteile. Bislang mit wesentlich weniger Erfolg als zu Hause. „Die Auslandsbüros sind ein Verlustgeschäft“, sagt Dmitri Tultschinski, der die Nowosti-Vertretung in Deutschland leitet. Ob sich der jüngste Internetvorstoß für Nowosti wirklich auszahlt, wird sich erst zeigen. Zumindest die russische Presse nahm die Idee schon einmal euphorisch auf.

„Das Wichtigste daran ist doch“, schrieb die Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta, „dass damit ein erster Schritt hin zur Stärkung der russischen Positionen auf dem Feld der weltweiten Informationen getan wurde.“ Die kostenlose Selbstdarstellung im Internet für die Regierung unter Präsident Wladimir Putin, der ob einiger herber Rückschläge in den ersten neun Monaten seiner Amtszeit an einem positivem Bild ein gesteigertes Interesse haben dürfte, dürfte einiges kosten.

Einen Teil bringt Nowosti selbst auf, den anderen schießt die Media-Holding WGTRK zu. Diese hat, aufgrund hoher Werbeeinnahmen des dazugehörigen Fernsehsenders RTR, einiges auf der Habenseite vorzuweisen. Doch die Frage bleibt, wie lange der Atem reicht.