Sozialpolitik „auf den Schultern der Schwächsten“

■ Bremer Senat hat gestern die Abschaffung des Landespflegegelds beschlossen

Das Landespflegegeld geht seinem Ende entgegen. Gestern beschloss der Senat, das Gesetz aus dem Jahr 1972 aufzuheben. Die Begründung: Es sei „mittlerweile durch die Einführung anderer Leis-tungen, wie der Pflegeversicherung, verzichtbar“, heißt es in der Pressemitteilung des Senats.

Landespflegegeld erhalten Schwerstbehinderte und Blinde als Ausgleich für „behinderungsbedingten Mehraufwand“, das heißt für Assistenz beim Café- oder Kinobesuch oder für Literatur in Blindenschrift. Sie bekommen diese Zuwendung – maximal 750 Mark im Monat – unabhängig davon, wie viel Geld sie verdienen oder besitzen. Rund 540 Menschen bekommen derzeit Landespflegegeld, rund fünf Millionen Mark kostet das den Senat jährlich.

Nach Urteilen des Oberverwaltungsgerichts, nach denen die derzeit praktizierte Verrechnung der Pflegeversicherung mit dem Landespflegegeld rechtens ist (die taz berichtete mehrfach), wird mit dem Senatsbeschluss jetzt das politische Aus für die Landesleistung eingeleitet – mit Besitzstandswahrung: Jetzige BezieherInnen sind nicht betroffen, nur neue Fälle sollen keinen Anspruch mehr haben.

Das Sozialressort argumentiert, sowohl Pflegeversicherung als auch Leistungen aus dem Bundessozialhilfegesetz ersetzten das Pflegegeld. „Unterm Strich bleiben somit für die Betroffenen die gezahlten Beiträge gleich hoch, auch ohne das Landespflegegeld“, so Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD). Einen „tatsächlichen Vorteil vom Landespflegegeld“ hätten bisher ohnehin nur die gehabt, die zu viel Geld verdienen oder besitzen, um auf BSHG-Leistungen Anspruch zu haben.

„Die fortschrittliche Idee, Behinderte gleich zu behandeln, wird jetzt gekippt, aus fiskalischen Gründen“, sagt zu all dem Matthias Weinert, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Hilfen für Behinderte (LAGH). Zumindest beim Blindengeld, das andere Bundesländer zahlen und das hier in Bremen Landespflegegeld heißt, müsse nachgebessert werden.

Das sieht die Opposition genauso. „Mit der Abschaffung des LPG fällt Bremen hinter die anderen Bundesländer zurück“, erklärte die grüne Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert. Sie kritisiert das Vorhaben als unsozial: „In Bremen regiert nur noch der Rotstift, wenn es um Menschen ohne Lobby geht.“

Die LAGH plant unterdessen die Eingabe einer Petition, und das laut Weinert „sehr bald“. Denn dann liege der Vorgang auf Eis und es sei Gelegenheit, sich klarzuwerden, „dass das eine Sozialpolitik auf den Schultern der Schwächsten ist.“ sgi