Aus dem wilden Leben des Joschka F.

Fortsetzung der beliebten Serie. Heute: Hessische CDU forscht nach Fischers Einsatz gegen Franco. Worum ging’s?

FRANKFURT taz ■ Außenminister Fischer doch Werfer von Molotowcocktails? Diesen Verdacht hoffen die Regierungsparteien CDU und FPD heute in einer Aktuellen Stunde im Hessischen Landtag „dramatisch“ erhärten zu können. Sie beziehen sich dabei auf Presseberichte, die wiederum einen Verfassungsschutzbericht zitieren. Danach soll Fischer 1975 an einer Demonstration gegen das spanische Generalkonsulat in Frankfurt am Main beteiligt gewesen sein.

Am 19. September 1975 formierte sich im Westend eine Gruppe von rund 200 mehr oder minder vermummten Menschen. Sie alle setzten sich in Fabriken, in der Emigrantenarbeit, in anarchistischen und kommunistischen Organisationen für die spanischen Befreiungsbewegungen ein. Viele Spanier lebten damals am Main im Exil. Im faschistischen Spanien regiert der greise und todkranke Generalissimo Francisco Franco noch immer mit eiserner Hand. Fünf Regimegegner, drei aus der marxistisch-leninistischen Organisation FRAP und zwei aus der baskischen ETA, sind zum Tod durch das Würgeeisen, die Garotte, verurteilt worden.

Die Empörung über diese Todesstrafen in Europa ist groß. Internationale Proteste sollen die Hinrichtungen verhindern. Eine Veranstaltung in der Stadthalle in Offenbach ist überfüllt. Der DDR-Liedermacher Wolf Biermann soll auftreten, darf aber nicht ausreisen. Sein Spanien-Lied wird immer wieder gespielt. Im Foyer steht eine Garotte.

Der unangemeldete Demonstrationszug ist, sagt ein Teilnehmer, hektisch „in letzter Minute“, kurz vor der Vollstreckung der Urteile, beschlossen worden. Das Ziel ist das spanische Generalkonsulat Ecke Siesmayerstraße/Grüneburgweg. Es soll ein Signal mit nachhaltigem Medienecho gesetzt werden. Die Planung ist eher vage: „Scheppern sollte es.“ Es schepperte tatsächlich, obwohl die Veranstaltung von Anfang an von der Polizei überwacht wurde. Die stand schon zu Beginn des Zuges mit einem Streifenwagen bereit, fühlte sich der Situation aber nicht gewachsen und forderte Verstärkung an.

Der Weg der Demonstranten zum Konsulat war kurz. Die angeforderte Verstärkung kam nicht. Die hatte anderes zu tun. Sie formierte sich gerade im Innenhof des Hessischen Rundfunks, weil der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) vor dessen Toren ebenfalls eine Demonstration angemeldet hatte. Im Polizeifunk knisterte es. Das Umdirigieren der Einsatzkräfte misslang gründlich, weil das Einfahrtsgitter des Funkhauses am Dornbusch klemmte. Als sich die Mannschaftswagen befreit hatten, war im Westend alles schon vorbei. Farbbeutel, Steine und Molowtowcocktails waren gegen die mit Drahtgeflecht geschützten Fenster des Generalkonsulats geflogen, die Täter längst geflüchtet.

Das Fanal blieb vergeblich. Die beiden Basken Juan Paredes Monot, genannt Txiki, und Angel Otaegui Echeverría, und die FRAP-Genossen José Humberto Baena Alonso, Ramón García Sanz und José Luis Sánchez-Bravo Sollas wurden am 27. September 1975 zwischen 8.30 und 10.15 Uhr erschossen. General Franco starb am 20. November 1975.

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